Außenseiter im Mittelalter

Was geht im Mittelalter?
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Norbert von Thule
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Außenseiter im Mittelalter

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute auf "Welt der Wunder":
Huren, Hexen, Henker: Außenseiter im Mittelalter

Huren, Hexen und Henker waren im Mittelalter nichts anderes als Außenseiter. Damals lebten so viele Menschen am Rande der Gesellschaft wie kaum in einem anderen Zeitalter. Wenn das niedere Volk für sein Schicksal nicht gerade gehängt wurde, war seine Gesellschaft tunlichst zu vermeiden. Denn es könnte ja in Verbindung mit dem Teufel gestanden haben…

Ein besonders hartes Schicksal hatten die Wanderhuren. Häufig waren sie gezwungen in die Prostitution zu gehen, weil sie vergewaltigt worden waren und somit keine Chance mehr auf eine Heirat hatten. Die Hoffnung auf eine gerechte Bestrafung des Täters war im Mittelalter gering. Die Vergewaltigte musste sogar Angst haben, noch zusätzlich der Verleumdung bezichtigt zu werden.”¨”¨Unter sozialer Ächtung hatten auch die zu leiden, die für den Vollzug von derartigen Verurteilungen zuständig waren: die Henker. Weil die Bevölkerung der Ansicht war, dass der Scharfrichter selbst das Schicksal eines Hinzurichtenden zu bestimmen hatte, entwickelte sich dieser zum regelrechten Volksfeind und wurde zum Objekt des Aberglaubens.

Hier erfahren Sie, wie das Leben von Huren, Hexen, Henkern und ihren Leidensgenossen im Mittelalter aussah.

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Oben links: Dirnen repräsentierten im Mittelalter die Sünde schlechthin (Elckerlijc - Bild: ddp). Oben rechts: Einerseits wurden ihre Dienste zwar mit Vorliebe von der oberen Gesellschaft in Anspruch genommen, andererseits lebten die mittelalterlichen Prostituierten als Randständige. Wenn ein neuer Herrschaftsträger beispielsweise vereidigt wurde, mussten Huren sogar die Stadt verlassen, weil sie der gängigen Ansicht nach Unglück brachten und den „bösen Blick' besaßen. (Bild: Public domain, Cinetext, Die Wanderhure). Unten links: Freudenmädchen, die in Bordellen arbeiteten, waren im Vergleich zu den Dirnen von der Straßen noch gut dran. Die sogenannten Wanderhuren zogen von Ort zu Ort. Bei großen Veranstaltungen boten sie dem männlichen Publikum ihre Dienste an. Zu ihren Kunden gehörten unter anderem Soldaten und Geistliche. Da Wanderhuren nicht unter dem Schutz der Stadt standen, wurden sie auch häufig vergewaltigt (Braveheart - Bild: ddp). Unten rechts: Die Gegenwart von Dirnen bei einer öffentlichen Veranstaltung wurde ambivalent gesehen: Im 15. Jahrhundert durften Freudenmädchen, die sich durch gesonderte Kleidung in den Schandfarben rot, gelb oder grün als solche zu erkennen geben mussten, nicht zusammen mit „ehrbare Frauen' auftreten. Anderseits wurde die rechtslose und leibeigene Dirne auf mittelalterlichen Stadtfesten gerne gesehen, um wie Augustinus meinte, Schlimmeres zu verhindern (Bild: ddp).

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Oben links: Den Tod vieler Frauen im Mittelalter besiegelte der sogenannte „Hexenschlaf“. Im zweiten Buch Mose heißt es: „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.' Daran hatte sich die mittelalterliche Bevölkerung gehalten, als erstmals die Jungfrau von Orleans 1431 als Ketzerin verbrannt wurde. Der Hexenschlaf sollte Frauen im Mittelalter ereilen, wenn sie beschuldigt wurden, mit dem Teufel im Bunde zu stehen (Bild: Cinetext, Richter). Oben Mitte: Es herrschte auch eine ausgeprägte Furcht vor gebildeten Mädchen. Im Mittelalter durften sich junge Frauen nicht so entfalten, wie sie es manchmal gerne gewollt hätten. Lesen und Schreiben sollte gerade bei Bauern- und Handwerkerfamilien den Brüdern vorbehalten sein. Wenn sie dennoch heimlich Bücher zur Hand nahmen, durften sie sich nur nicht dabei von ihrem Vater erwischen lassen (Bild: Cinetext, Die Päpstin). Oben rechts: Der Teufel in Gestalt eines Hofnarrs: Zwar brachte der Narr im Mittelalter den Spaß an den Fürstenhof, dennoch wurde er als zwielichtige Gestalt in Verbindung mit dem Teufel dargestellt. Der Hofnarr stand an allerletzter Stelle der Ständeordnung, weil er Gott leugnete und keinerlei Manieren und Bildung besaß. Kritik am Adel durfte der Hofnarr allerdings ungestraft ausüben, da er keineswegs an gesellschaftliche Normen gebunden war. Deswegen oblag ihm der Status der Narrenfreiheit (Bild: Imago). Unten links: Der Gaukler war Unterhaltungskünstler, jedoch auf noch niedrigerem Niveau als der Hofnarr. Er bot seine Darbietung nicht am Hofe feil, sondern hielt sich zum größten Teil auf Märkten auf. Ob vorgetäuschte Zauberei, auf den Händen laufen, Einrad fahren, Jonglieren - seine Darbietungen waren meist dem Zweck geschuldet, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gaukler genossen deswegen weder rechtliche noch kirchliche, geschweige denn soziale Geltung (Bild: Public domain). Wie die Gaukler und Wanderhuren gehörten auch die Quacksalber in der Regel zum „Fahrenden Volk', einer vagabundierenden Bevölkerungsgruppe der untersten Ränge. Als „herrenloses Gesindel“ versuchten sie wenigstens einem unehrlichen Broterwerb nachgehen zu können. Da es im Mittelalter an medizinischer Versorgung mangelte, wimmelte es an Personen, die ohne jegliche medizinische Kenntnis der Heilkunde nachgingen und für ihre Scheinbehandlung Unsummen verlangten (Bild: Public domain).

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Links: Der letzte Kontakt eines zum Tode geweihten Menschen im Mittelalter war der Henker - auch Scharfrichter, Freimann, Schinder oder Züchtiger genannt. Der Scharfrichter übernahm die Hinrichtung, eine offizielle Tötungshandlung, die seit dem 13. Jahrhundert Anwendung fand. Der Beruf des Henkers galt als unehrenhaft und der Schinder war beim Volk regelrecht verhasst und gefürchtet zugleich (Bild: Cinetext, Der Teufel). Rechts: Dem Aberglauben nach hätte bereits eine bloße Berührung des Henkerbeils, Galgens oder eines anderen Folterwerkzeugs schon fatale Folgen gehabt. Man unterstellte dem Henker nicht nur unehrenhafte Attribute, die sich auch auf Folgegenerationen übertrugen, sondern auch dämonische und magische Kräfte. Ein Scharfrichter durfte sich nicht in der Stadt aufhalten. Seinen Söhnen blieb keine Alternative, als auch den Beruf des Scharfrichters zu ergreifen; Töchter durften ebenso nur in Kreisen eines Scharfrichters heiraten (Bild: Cinetext, Der Glöckner von Notre-Dame).

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Links oben: Schwere, ansteckende Krankheiten führten im Mittelalter zur sofortigen Isolation. Allen Krankheiten voran: die Pest. Wenn sich die Haut dunkel verfärbte und eitrige Beulen auf der Haut auftraten, dann wusste man im Mittelalter sicher, dass der Tod schon an der nächsten Ecke lauerte. Als Europa 1347 bis 1351 von einer schrecklichen Pestepidemie heimgesucht wurde, sollte der Großteil der Bevölkerung am „schwarzen Tod' verenden (Bild: Imago). Daneben: Um sich vor Ansteckungen mit der gefürchteten Pest zu schützen, wurden Infizierte von der restlichen Bevölkerung isoliert. Die Quarantäne war die einzige Lösung, um der Pestepidemie Herr zu werden. Es gab sogar Seuchengesetze, die es verboten, Kontakt zu Kranken aufzunehmen oder ihnen etwas zu essen zu geben. Aus panischer Angst vor Ansteckung verweigerten sogar Angehörige den Kranken die Hilfe (Bild: ddp). Rechts oben: Eine weitere Bevölkerungsgruppe, die ausgegrenzt wurde, waren die Katarer. Sie praktizierten im Mittelalter eine eigene Form des Christentums und stilisierten sich damit zum Feindbild der heiligen Inquisition. Weil der Glaube der Katarer im Widerspruch zur christlichen Lehre stand, wurden sie als Ketzer verfolgt und vernichtet. Alle Ungläubigen, die der Häresie beschuldigt wurden, weil sie die Botschaft der Bibel anzweifelten oder gar Gott leugneten, stellten im Mittelalter Außenseiter dar und wurden von der Bevölkerung verbannt. (Bild: Cinetext, Die Päpstin). Links unten: Auch die Juden galten als Nichtchristen im Mittelalter als Außenseiter. Im Hochmittelalter war die Kirche daran interessiert, eine Isolierung der Juden von der christlichen Bevölkerung durchzusetzen. Als Folge der Stigmatisierung wurden ihnen bestimmte Wohnviertel zugewiesen, denn ein Zusammenleben von Juden und Christen sollte gänzlich untersagt werden (Bild: Public domain). Rechts unten: Ferner sollten Juden einen spitzen Hut mit gelbem Fleck zur besonderen Kennzeichnung tragen. Zur Eskalation des mittelalterlichen Judenhasses kam es, als Papst Urban II. im 11. Jahrhundert zum Kreuzzug aufrief. Unter Beeinflussung der herrschenden Kirchenmeinung stellte das aufgehetzte Volk jeden einzelnen Juden vor die Wahl, sich entweder taufen zu lassen oder sterben zu müssen. Grund für die Aversion gegenüber Juden war im Mittelalter vor allem darin begründet, dass Juden zu einem für Christen fremden Gott beteten (Bild: ddp dapd).
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