Wie der Hermann in den Teutoburger Wald kam 06.11.09 WDR

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Norbert von Thule
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Wie der Hermann in den Teutoburger Wald kam 06.11.09 WDR

Beitrag von Norbert von Thule »

Wie der Hermann in den Teutoburger Wald kam WDR um 20.15 - 21.00 Uhr

Vor 2.000 Jahren, im Jahr neun nach Christus, schlugen die von den Römern besetzten Germanen unter der Führung des Stammesfürsten Arminius drei römische Legionen vernichtend im Teutoburger Wald. 20.000 Mann fanden in dem dreitätigen blutigen Gemetzel, das als Varusschlacht in die Geschichte einging, den Tod.
Arminius, dem es gelungen war, die zerstrittenen Stämme der Cherusker, Chatten, Angrivarer, Marser und Brukterer gegen Rom zu einen, avancierte im Laufe der Jahrhunderte zu einer mythischen Gestalt. Luther deutschte seinen Namen zu Hermann ein, und schon bald wurde der Cheruskerfürst als "Befreier Germaniens" und Identitätstifter zur nationalen Symbolfigur erhoben. Als blonder Recke erfreute sich Hermann vor allem im 19. Jahrhundert als Sujet der Kunst größter Beliebtheit.

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Xylografie: Ernst von Bandel in seinem Atelier beim Bau des Hermannsdenkmal

Auch Ernst von Bandel war von Hermann begeistert. 1800 geboren, erlebte der Bildhauer und Architekt die Napoleonische Herrschaft. Der glühende Patriot verabscheute die Franzosen und träumte von der Einigung Deutschlands. Hermann wurde sein Idol. Schon als junger Mann träumte von Bandel vom Bau eines Nationaldenkmals zu Ehren des siegreichen Helden. Weil er in seiner Heimat Bayern keine Geldgeber fand, reiste von Bandel in den Teutoburger Wald und besuchte die Grotenburg im Ortsteil Hiddesen. Hier, so glaubte man im 19. Jahrhundert, hatte die legendäre Varusschlacht stattgefunden. Genau hier sollte auch sein Hermannsdenkmal stehen.
1838 begann er mit der Errichtung der Statue, deren Planung sich aus ersten bescheidenen Entwürfen schnell zu monumentaler Größe entwickelt hatte. Ihr Bau war für die damalige Zeit eine technische Großleistung, an der ein Stab von Steinmetzen und Bauarbeitern mitwirkte. Die Einzelteile der Figur schmiedete der 70-Jährige von Bandel, der auf der Baustelle in einer primitiven Kate lebte, höchst persönlich. Dafür hatte er eigens das Schmiedehandwerk erlernt.
Der Baumeister verstand sich auch auf das Einwerben von Geldern. Die "Gartenlaube", die bekannteste Zeitschrift der Zeit, rief zu Spenden auf. Heinrich Heine und Karl Marx gehörten zu den prominentesten Sponsoren. Bereits um 1850 zeigten Bilder das vollendete Denkmal. Tatsächlich blieb der Sockel mehr als 20 Jahre leer. Zur Einweihung 1875 - da war Deutschland schon geeint - kam Kaiser Wilhelm I. und mit ihm 35.000 Menschen. Ernst von Bandel starb ein Jahr später. Sein Lebenswerk, das heroische Hermannsdenkmal, machte das verschlafene Residenzstädtchen Detmold nicht nur bekannt, sondern brachte auch Wohlstand.
Auf unzähligen Souvenirs wurde der "Hermann", wie ihn die Detmolder liebevoll nannten, seither verewigt: ob auf Mokkalöffeln, Blumenvasen oder Fingerhüten, ob aus Plastik oder Kupfer.
Um 1900 war aus dem Hermannsdenkmal längst eine Pilgerstätte geworden. Den Höhepunkt der "Hermannmanie" bildete 1909 der Hermannsumzug. Ganz Detmold war im Germanenkostüm auf den Beinen. Im Ersten Weltkrieg wurde Hermann zum Propagandahelden. 1925 sollte der "Hermannslauf" an Glanz und Gloria des einstigen Deutschen Reiches erinnern. Den Nazis diente das Denkmal als Symbol für die immer wieder beschworene germanische Überlegenheit. SA und Stahlhelm veranstalteten auf seinen Treppen Kundgebungen, Nazigrößen besuchten es gern. Tausende Soldaten der Reichswehr ließen sich am Ende ihrer Ausbildung vor ihm Ablichten.
Von Bomben weitgehend verschont, blieb das Hermannsdenkmal auch nach 1945 das beliebteste Ausflugsziel weit und breit. Im Nachkriegsdeutschland zog der 1952 restaurierte Hermann bis zu zwei Millionen Besucher im Jahr an. Kriegsveteranen legten Kränze nieder, Vertriebenenverbände veranstalteten hier ihre Treffen, Bundespräsident Heuss gab ihm die Ehre, und Pazifisten wollten das Denkmal zum Friedenssymbol umfunktionieren.
Doch dann der Schock: 1988 entdeckte ein Hobbyarchäologe auf einem Acker in Kalkriese, einem Örtchen bei Osnabrück, römische Münzen mit dem Zeichen des Feldherren Quinctilius Varus. Historiker wurden aufmerksam. Zahlreiche weitere Funde wie die Gesichtsmaske eines römischen Reiterhelms erhärteten die These, dass die Varusschlacht gar nicht in Detmold, sondern in Kalkriese stattgefunden hatte.
Die Detmolder lassen sich davon allerdings nicht so schnell beeindrucken. Neue Ideen rund um ihren Hermann wie das "Hermannsbräu" oder die "Hermannswurst" sollen das Geschäft mit dem Denkmal wieder ankurbeln.
Quelle: WDR
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