Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Was geht im Mittelalter?
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Montrose hat geschrieben:Hechingen und Sigmaringen haben echte historische Substanz, während die "Klosterstadt" Disney-Land ist.
Hechingen (Römer-Villa, Bj. 20./21. Jh.) und Sigmaringen (Historismus-Schloss, Bj. 18./19. Jh.) sind Bauten der Neuzeit nach antiken bzw. mittelalterlichen Plänen, wie die Klosterstadt.
Ich habe in Disneyland Backsteinmauern aus lackiertem Kunstharz gesehen - die Klosterstadt wird anders gebaut.

Mein Einwand ist eher, dass das immer noch für die Pressekampagne verwendete Holzmodell von Reinhold Münz aus dem Jahre 1996 (s.u.) wenig Zutrauen in die Professionalität des Projekts vermittelt.

Gestern:
Meßkirch kehrt ins Mittelalter zurück

Die Innenstadt von Meßkirch wirkt wie ausgestorben. Kein Mensch scheint an diesem Wochentag in der Fußgängerzone unterwegs zu sein. Einige Läden stehen leer, der geschlossene Gasthof "Löwe" neben dem Rathaus hat seine besten Zeiten lange hinter sich.

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Doch schon bald soll hier zwischen Donau und Bodensee der Tourismus boomen: Auf acht Hektar Waldfläche wird eine mittelalterliche Klosterstadt entstehen, die 180.000 Besucher im Jahr anziehen soll. Die Pläne für das Projekt stammen aus dem neunten Jahrhundert. Die veranschlagte Bauzeit beträgt 40 Jahre.
"Ich fühle mich manchmal wie Moses, der das gelobte Land sieht, es aber selber nie betreten wird", sagt Bert Geurten vom Verein "Karolingische Klosterstadt". Der 62-Jährige ist der Ideengeber für das Vorhaben, das ohne Maschinen nur mit Muskel- und Ochsenkraft ganz wie im Mittelalter umgesetzt werden soll. "Doch das Ziel ist nicht die Fertigstellung, sondern das Bauen an sich", macht Geurten deutlich.
Das Vorbild für das Meßkircher Mammut-Projekt steht im französischen Burgund. Seit 13 Jahren bauen Handwerker dort eine Ritterburg aus dem 13. Jahrhundert nach - und die Besucher strömen in Scharen. 320.000 waren es 2010, GuÁ©delon ist in Frankreich mittlerweile Ziel Nummer Eins für Schulausflüge.
Vor sieben Jahren sah Geurten eine TV-Reportage über den Bau und dachte sofort an das Modell der Karolingischen Klosterstadt, das er als junger Mann in einer Ausstellung bewundert hatte. Kurzerhand gründete der Journalist aus Aachen den Verein, stellte seine Idee der Nachahmung verschiedenen Städten vor - und landete schließlich im Landkreis Sigmaringen.
"Als ich die Anfrage das erste Mal las, dachte ich: Der ist doch verrückt", erinnert sich der Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick (CDU). Doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr erkannte er die Chancen für die 8.000 Einwohner-Stadt, die von Gewerbe und Industrie lebt. Eine Busreise mit den 19 Gemeinderäten nach GuÁ©delon überzeugte dann auch den letzten Kritiker bei der Stadt.
"Wir wollen mit dem Projekt ein Alleinstellungsmerkmal schaffen, das uns ein Wachstum im Hotel- und Gastronomiebereich beschert", sagt Zwick. Die lange Bauzeit beunruhigt den Bürgermeister indessen nicht. Im schlimmsten Fall habe man in 40 Jahren eine mittelalterliche Stadt, die auch noch belebt sei.
Denn die Anlage rund um das Kloster mit Wirtschaftsgebäuden, Ställen, Wohn- und Handelshäusern soll den Besuchern vermitteln, wie das Leben im neunten Jahrhundert aussah. Ein echter Markt ist geplant, Gerichte werden nach alten Rezepten zubereitet und die Handwerker arbeiten nicht nur nach Methoden aus dem Mittelalter, sondern ziehen sich auch entsprechend an.
Anfangs war Zwick skeptisch, was die Suche nach Arbeitskräften anging. "Ich habe mich gefragt, ob sich da überhaupt jemand bewirbt", gibt der Bürgermeister zu. Doch innerhalb kürzester Zeit gingen beim Verein "Karolingische Klosterstadt", der sich um den Bau kümmert, 120 Bewerbungen ein. "Die Leute brennen darauf, ohne Maschinen zu arbeiten", sagt Geurten.
Eine Befragung im Ort zeigte im März, dass rund 75 Prozent der Meßkircher für das Projekt sind. Vor allem die Einzelhändler wie der Konditormeister Hermann Brecht erhoffen sich durch den Bau der mittelalterlichen Stadt wesentlich mehr Kundschaft. Doch längst sind nicht alle überzeugt.
Dem Diakon Klaus Reichenberger fehlt bei dem Vorhaben der christliche Gedanke. "Auch wenn Bert Geurten immer wieder betont, dass es im Kloster ein religiöses Programm geben wird: Wir haben doch bereits eine geweihte Kirche." Anderen dagegen sind die Kosten ein Dorn im Auge.
Für die Finanzierung des Projektes gibt es einen Zuschuss aus dem EU-Programm "Leader" in Höhe von 448.000 Euro, weitere 400.000 Euro kommen aus dem Etat der Stadt, der Landkreis gewährt einen Kredit über 100.000 Euro. Damit ist der Start finanziert, also der Bau von Parkplätzen, sanitären Anlagen sowie die Verlegung von Wasserleitungen. Nach zwei Jahren sollen sich alle weiteren Arbeiten über die Eintrittsgelder selbst tragen. Sieben Euro pro Person sind angedacht. "Eine Umfrage aus GuÁ©delon zeigt, dass jeder Besucher im Durchschnitt alle drei Jahre wieder kommt, um die Fortschritte zu sehen. Darauf hoffen auch wir", sagt Zwick.
Das neue Jahr will der Verein "Karolingische Klosterstadt" vor allem für Werbung und Akquise nutzen. Im Januar 2013 soll dann der eigentliche Bau losgehen. Die Materialien beziehen die Arbeiter ausschließlich aus Wald und Boden bei Meßkirch.
Die Stadt kümmert sich dagegen um die Genehmigungen - und leistet weiterhin Aufklärungsarbeit. "Viele können sich das Projekt immer noch nicht so richtig vorstellen", sagt Zwick. Abhilfe schafft da das Modell von Reinhold Münz, das einige Wochen in der Stadthalle zu sehen war. Der gelernte Maschinenschlosser fertigte die Miniatur-Klosterstadt aus Holz bereits 1996 an. "Dass mein Modell einmal Vorlage für ein Großprojekt werden würde, hätte ich nie gedacht", sagt Münz.
(Quelle: DAPD)
Montrose
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Hechingen (Römer-Villa, Bj. 20./21. Jh.)
Das ist richtig.

Genau wie in der Heuneburg hat man versucht, ein Gebäude wiederaufzubauen. Der Unterschied zur "Klosterstadt" besteht darin, daß in Hechingen-Stein und der Heuneburg tatsächlich einmal eine Siedlung war. Auch wenn ein Archäologe darüber nicht unbedingt glücklich ist, so würde ich mir dort mehr Neubauten wünschen: einfach damit man eine Vorstellung gewinnt, wie Römer- und Keltenzeit ausgesehen haben könnten.

Die "Klosterstadt" hingegen wird an einem Ort gebaut, wo nie ein Kloster gestanden hat. Es ist eine komplette Fiktion.

Auch gab es in Hechingen-Stein und Heuneburg niemals diesen Rummel darum, man wolle damit viel Geld verdienen oder die Sache touristisch erschließen. Das sind Geheimtipps, da fahren nicht ständig irgendwelche Busse hin und die dortigen Bürger erwarten das auch gar nicht.

In Hechingen-Stein war ich mehrmals und ich war begeistert. Der Bürgermeister hatte die römischen Mauern in einem Brombeergestrüpp im Wald entdeckt, als er dort nach einer mittelalterlichen Burg suchte.

Die Anlage ist sehr ausgedehnt und es wird bis heute spekuliert, wer dort siedelte. Eine Theorie (naja, der alte Fremdenfüher behauptete das) besagt, es sei ein Altenheim für römische Veteranen gewesen. :wink:

Die Anlage wurde von den Alemannen überrannt, als die römischen Soldaten abzogen, um die Ostgrenzen zu sichern. Darüber würde ich mal gerne einen Römerfilm sehen, wie das wohl für die Römer gewesen sein muß, ihr Kulturgebiet schutzlos preiszugeben, weil es an allen Ecken und Enden brannte. Da hat es sicherlich so manchen traurigen Abschied gegeben, vielleicht so wie bei den Deutschen, die aus den Ostgebieten flüchten mußten.

Es ist nicht nur die Geschichte, sondern es sind die Geschichtchen drumherum, die solche Orte liebenswert machen. Auch die Römerfeiern in Sumelocenna gefielen mir. Da entdeckte man in einem Städtchen ausgedehnte Römerfunde, und die Bevölkerung versuchte, das Beste draus zu machen. Die Kelten, die ein Spanferkel am Spieß braten und es vor den Zuschauern selbst verzehren anstatt es zu verkaufen. Und im Nachbarort-- man glaubt es kaum-- ein Western-Cowboy-Fest.

Das sind Erinnerungen, die vielleicht nicht authentisch, aber dafür umso menschlicher sind. Und diesen Charme erkenne ich auch bei den Veytalern. Diese Klosterstädter hingegen wirken auf mich nur größenwahnsinnig. Die Qualität eines Traumes hängt nicht nur von seinem Inhalt ab, sondern davon, wer ihn träumt. Ich spüre da keine guten Vibrations. Ich kann nicht nachempfinden, was diese Leute eigentlich anstreben. Es wirkt auf mich wie plumper Materialismus ohne geistige Dimension.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Gestern in der Schwäbischen Zeitung:
Tanja Bosch hat geschrieben:
Klosterstadt heißt jetzt Campus Galli

Bert M. Geurten präsentiert das neue Logo und die erste Broschüre ”“ 2012 stehen fünf Messen an

Karolingische Klosterstadt war gestern, jetzt müssen sich die Menschen einen neuen Namen einprägen: Die Klosterstadt heißt jetzt Campus Galli. Das Logo und die erste Broschüre hat Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins karolingische Klosterstadt, gestern druckfrisch im Meßkircher Rathaus vorgestellt. „Wir brauchten einfach einen griffigen Namen. Ich bin stolz, dass sich in einem Jahr so viel getan hat“, so Geurten. „Wir sind Campus Galli, das soll eine eigene Marke werden.“

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Klosterstadt heißt jetzt Campus Galli

Verantwortlich für den Namen ist Bernd Giesser von Bit-Graphik, einem Marketingbüro aus Owingen. „Der Name und auch das Logo sind sofort angekommen, das hätte ich nicht gedacht, es war eine Punktlandung“, freut sich der Marketing-Fachwirt. Das Wort Campus soll Menschen jeder Altersgruppe ansprechen als etwas, das sie bereits kennen: „Ursprünglich kommt es aus dem Lateinischen und bedeutet Feld, es erinnert aber auch an Universitäten als Campus, also einen Ort, an dem gelehrt wird“, sagt Giesser. Das Wort Galli erinnert an den Wandermönch Gallus, der als Gründer der Stadt St. Gallen gilt.
Den Schlüssel, der das Logo ziert, entwickelten Studenten der Hochschule für Medien und Kommunikation aus Stuttgart. Den findet auch Bürgermeister Arne Zwick gelungen: „Den kannte ich ja schon, was mir aber gefehlt hat, war der Name unserer Stadt.“ Aber da Campus Galli den Untertitel karolingische Klosterstadt Meßkirch trägt, ist nun auch der Bürgermeister zufrieden.

350 Medienberichte im Jahr 2011

Die Schriftart des Logos stammt ”“ wie auch die Form des Schlüssels ”“ aus der karolingischen Zeit. „Zur Zeit von Karl dem Großen hat man so geschrieben“, erklärt Giesser. Die Zeichen „Cod. 1092“, die auf dem Schlüssel zu sehen sind, haben auch eine Bedeutung. „Das ist die Signatur unter der der Klosterplan in der Klosterbibliothek St. Gallen zu finden ist“, erklärt Geurten. Als Mönch gekleidet ist der Vorsitzende des Klosterstadtvereins auf dem Titelbild der neuen Broschüre zu sehen. „Das war nicht meine Entscheidung“, sagt Geurten lachend. „Die Agentur wollte das so, und im Übrigen schaue ich nicht mürrisch, ich blicke der Zukunft lediglich erwartungsvoll entgegen.“ So ähnlich sieht das auch Bürgermeister Zwick: „Dadurch wächst und gedeiht unsere Stadt. Das Spannendste für mich ist, dass sich das Projekt wöchentlich weiterentwickelt und das wird es auch noch in fünf Jahren tun“, so Zwick. „Keiner von uns kann wissen, wie die Klosterstadt in 40 Jahren aussieht.“ Im Moment sind alle Beteiligten ”“ trotz der Verzögerung des Baubeginns um neun Monate ”“ zufrieden mit dem aktuellen Stand. „2011 war ein gutes Jahr, um das Großprojekt zu bewerben“, sagt Geurten. „In 350 Medienberichten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Italien, Belgien und Großbritannien ist Meßkirch mit der Klosterstadt aufgetaucht.“
2012 solle nun Campus Galli stark beworben werden. Morgen beginnt die CMT-Urlaubsmesse in Stuttgart, bei der Geurten die Klosterstadt vertreten wird. Weitere vier Messen in Deutschland und Österreich folgen. Ebenfalls neu in diesem Jahr ist die Geschäftsstelle, die Bert M. Geurten und seine Kollegen, im Komm-In in der Hauptstraße beziehen. „Die Sparkasse Meßkirch stellt uns diese Räume zur Verfügung“, sagt Geurten. In den kommenden Tagen und Wochen zieht der Verein dort ein.
Und schon bald muss der Vorsitzende auch nicht mehr mit der Bahn fahren, sondern mit einem Ford Fiesta, den der Verein von der Meßkircher Volksbank gesponsert bekommen hat.
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Nicole
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Nicole »

Aha. Karolingische Klosterstadt anstelle von Kloster. Campus Galli, benannt nach dem Gründer der [i]Stadt[/i] St. Gallen (nicht jedoch des [i]Klosters[/i]).
Und das neue Super-Logo wird nicht vorgestellt.

Das hier macht mehr Sinn: http://www.paperblog.fr/3085164/galli-s ... li-rudolf/
Da steht auch Galli drin.

Das hier ebenfalls: http://www.paperblog.fr/3288800/bd-le-s ... -le-galli/
Dort entsprechen immerhin die dargestellten Dimensionen denen eines karolingischen Klosters.

Habe Nackenstarre vom Kopfschütteln.
GG
N.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Vielleicht tue ich diesem Geurten ja Unrecht, aber seine Werbestrategie läßt ihn in meinen Augen als Unsympath dastehen. Wie ein Provinz-Wulff ohne Blondine am Arm. Wenn man seine Mission so auf das eigene Ego fixiert und dann gibt es Leute, die einen dann nicht toll finden, könnte das zum Problem werden. Wäre es nicht besser, Herr Geurten (wer ist das überhaupt?) würde sich mehr zurücknehmen. Eine Story der Art "kleiner Mann kommt groß heraus" würde ich lieber meinem Briefträger als diesem schnauzbärtigen Printenzuzzler wünschen.

Schon wieder geht es nur darum, mit Fassaden anzugeben, zu protzen, sich aufzublasen.
Meßkirch wird viel verdienen, der Vorsitzende bekommt ein Auto (wozu eigentlich, ich dachte, die wollen eine Klosterstadt bauen, anstatt sich zu bereichern). "Campus" soll an Wissenschaft erinnern - ohne Wissenschaft zu sein. Das sieht nach Bluff aus. Nebenbei, die Zusammenarbeit mit den Meßkirchener gereicht keineswegs zur Ehre. Etliche andere Ortschaften hatten zuvor das Projekt - zu recht - abgelehnt. Da meinen die Öcher, sie hätten gerade mit dem König gespeist, dabei war es nur sein Stallknecht.

Das Lob an "Campus Galli" kann ich nicht nachvollziehen. Es ist in etwa das, was man von einem einfältigen Schüler, der in Latein eine 5 hat, erwarten würde. Diese zwei Worte, aber bestimmt nicht mehr würden ihm noch einfallen. Wenn das alles ist, was ein "Werbefachmann" zustande bringen muß, dann werde ich mich, falls mir jemals Hartz-IV drohen sollte, auch in diesem Beruf niederlassen. Das ist kein "Campus Galli", das ist ein Campus Lalli.

Das Bild mit dem grimmigen Mönch ist eine Frechheit gegenüber der Kirche. Mönche sind gütige Menschen, die immer lächeln. Wenn Herr Geurten Probleme mit seiner Verdauung hat, sollte er auf's Klo und nicht vor einen Fotoapparat treten.

Im Grunde geht es darum, mit wie wenig Substanz man ein "Groß-Projekt" verkaufen kann. Kann man einen Erdbeer-Joghurt ohne Erdbeeren verkaufen. Ja, kann man. Kann man ein historisches Projekt ohne Historie schaffen. Ja, man kann. Aber wozu sollte diese Erkenntnis gut sein?

Statt künstlicher Aromen würde man sich wieder mehr echte Werte wünschen.
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Nicole
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Nicole »

Oh bitte! Darf ich den "Campus Lalli" weiterverwenden? :lachen

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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Ausnahmsweise, weil Du es bist. 8)

Für dieses neue Logo hat mein Werbebüro in Zusammenarbeit mit der Boston New York Arts Collection Company University fünf Jahre hart lang gearbeitet. Deshalb ist das Logo "Campus Lalli" mindestens 3.200.000.500.001 Euro wert und markenrechtlich streng geschützt.

Wir beide könnten ebenfalls ein Groß-Projekt durchziehen. Wie wär's mit einer neuen Hauptstadt. Berlin ist irgendwie nicht so der Bringer. Der Bürgermeister von Sauldorf, ein Nachbarort von Meßkirch, wird mir bestimmt noch zusichern, daß wir für die neue Hauptstadt einen Acker am Waldrand und einen Shuttle-Bus bekommen, der die Touristen von der neuen Hauptstadt ins nächste Wirtshaus fährt.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Nicole hat geschrieben:Und das neue Super-Logo wird nicht vorgestellt.
Bitteschön:

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Montrose
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Das "Campus Galli" ist werbetechnisch schlecht, weil Verwechslungsgefahr besteht.
Bei Galli denkt jeder an Gallier, Asterix und Obelix usw. Gallus heißt zwar "Der Kelte", aber es besteht kein Bezug zwischen dem Heiligen Gallus und dem Keltentum. Die Initiatoren haben vielleicht gar keine Ahnung, wer dieser St. Gallus eigentlich war und wofür er lebte. Anstatt irgendwelche Werbekampagnen zu starten, hätte man die Zeit besser mal in einer Bibliothek verbracht.

Das müßte zwangsläufig "Campus St. Galli" heißen, um ihn im christlichen Kulturkreis zu verankern. Namensrechtlich ist das kein Problem, denn St. Gallus ist sicherlich nicht markenrechtlich geschützt.


Die Grafik ist das, was man eben so bekommt. Ich habe Selbständige im Bekanntenkreis, die sich für ihre Unternehmen auch Logos machen ließen. Schlicht geht es meist zu, und das gilt wohl unter Experten als professionell. In diesem Logo hat der Schlüsselbart nicht mal irgendwelche Scharten. Ich finde, das Logo ist jetzt keine werbetechnische Meisterleistung, die man ausdrücklich loben müßte. Wenn ich einen Grafiker beauftrage, daß ich für eine Schlüsseldienst-Firma ein Logo brauche, dürfte etwas ähnliches rauskommen.

Irgendein einzigartiges Emblem fehlt, sei es eine Anspielung auf den Baustil (soll dies in dem Rechteck zum Ausdruck kommen?) oder irgendein Epitheton, das man mit St. Gallus verbinden könnte. Dieses Cod. 1092 akzeptiere ich nicht, denn es ist eine neuzeitliche Benennung. Übrigens, warum wurde "Codex" nicht ausgeschrieben?

Karolingische Klosterstadt Meßkirch ist irreführend. Der Codex 1092 zeigt nicht den Plan einer Klosterstadt, sondern eines Klosters. Man hat den Eindruck, die Initiatoren können wie Vampire eine rein kirchliche Bezeichnung nicht ertragen und müssen es deshalb mit dem Zusatz "Stadt" profanisieren. Im selben Kontext steht auch das mißratene Mönchsfoto: ich glaube, Herr Geurten guckt als Mönch so mißmutig, weil er mit Kirche nichts zu tun haben will. Ich glaube diesen Leuten anzumerken, daß sie das, was sie da tun, eigentlich verachten.

Meßkirchen war niemals Karolingische Klosterstadt und wird es niemals sein - die Karolinger sind ausgestorben und können dementsprechend kein Kloster mehr bauen. Vermutlich wird das Regierungspräsidium diese Bezeichnung noch einkassieren. Das wäre auch im Interesse Aachens: Aachen ist eine Karolingische Stadt .... wenn nun jeder x-beliebige Ort sich "karolingisch" nennen darf, dann verliert Aachen sein Alleinstellungsmerkmal.

Ich sage nur: plastic culture. Etwa so leicht bekömmlich und x-beliebig austauschbar wie die Texas-McChicken Wochen bei McDonalds. Herr Geurten würde das sicherlich verstehen, wenn er mal für zwei Wochen wirklich in ein Kloster ging anstatt diese Rolle nur zu spielen. Nachdem es in Aachen genug Karnevalsvereine gibt, mag sich mancher fragen, ob solche "Historien"-Gruppen wirklich eine eigenständige Daseinsberechtigung haben.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Nicole »

Eine gewisse Inspiration hiervon lässt sich nicht von der Hand weisen: http://t2.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9 ... CAYlYVsR5y

Womit wir dann ja auch schon fast wieder in Aachen sind.

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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Der Schlüssel ist aus einem stilisierten Apple-Baum entstanden:
Die [url=http://www.macromedia-fachhochschule.de/design-portal/mediendesign-portal/projektdetail/detail/cdci-fuer-die-karolingische-klosterstadt-messkirch.html]Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation[/url] hat geschrieben:
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CD/CI für die Karolingische Klosterstadt Meßkirch

Ob in Zusammenhang mit Sprache, Architektur oder Kunst, der Begriff der Konstruktion wird in unterschiedlichen Disziplinen gebraucht, bezieht sich aber immer auf das lateinische Wort constructio: „Zusammenfügung“ oder „Bau“. Es impliziert das künstliche Gemacht-Sein, die Zusammensetzung, das Technische und das Geometrische.
In der Gestaltung gelten der Konstruktivismus als Avantgardeströmung vom Anfang des 20. Jahrhunderts und die postmoderne Dekonstruktion vom Ende des 20. Jahrhunderts als wichtigste Referenzpunkte. In der Auseinandersetzung mit diesen Strömungen entwickeln die Studierenden im Projekt eine eigene und neue Formensprache für das Corporate Design einer musealen Anlage in Meßkirch:
Hier soll eine sogenannte Karolingische Klosterstadt nach dem weltberühmten Plan von Sankt Gallen errichtet werden ”“ ausschließlich mit den Mitteln des frühen Mittelalters.
Die Studierenden entwickeln ein übergeordnetes Gesamtkonzept zur Aufgabe, eine eigene durchdachte und leistungsfähige Hausgrafik mit Farbkonzept und Typografie.

Durchführung: Lisa Sterk, Mary Vassiliadou, Janita Lechler, Sio Steinacker, Moritz Müller, Semester: 2. Semester, Jahr: 2010, Betreuung: Prof. Dr. Asli Serbest
Die Karolingische Klosterstadt hat geschrieben: Das von Studenten der Macromedia Hochschule in Stuttgart entwickelte Logo der Karolingischen Klosterstadt wird in Stein gemeißelt - der Anfang ist gemacht (28.07.2011).

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Bild (Jutta Hoffmann): ”¨Steinmetz Tim war bei der Aufnahme noch nicht ganz fertig, die kleine Raute im oberen Teil des Schlüsselkopfes fehlt noch.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Zugegeben, ein paar Vorteile hat die Aktion. Die Studierenden von Macromedia bekommen ihren Bachelor-Titel. Prof. Dr. Asli Serbest kann sich in deutscher Leitkultur einüben: nämlich jedwede Tradition kaputtzumachen ... nichts anderes bedeutet "Dekonstruktion". Genau dafür hat bereits Bushido den Bambi für "gelungene Integration" bekommen. Und wenn das Ding in vierzig Jahren völlig leer in der Gegend rumsteht, auf ungeweihter Erde, Wohnstatt von Fuchs und Fledermaus, dann haben wenigstens die Gothics eine neue Stätte, wo sie ihre satanischen Rituale auf dem von Hochmut geborenem Altar vollziehen und das Blut von ungezuckerten Jungfrauen schlürfen können.

Macht nur weiter so! Denn wenn keine falschen Propheten auftreten (Apokalypse 16,13), dann vergißt der liebe Herrgott womöglich noch den Tag des Jüngsten Gerichts. :au
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Forumkirche vom 15.01.12:

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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute im Südkurier:
'Campus Galli' stellt sich vor

Klosterstadt bei der CMT: Am Mittwoch kam es in Halle 6 der CMT-Tourismusmesse in Stuttgart, auf der Showbühne des SWR, zu einem Auftritt von Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins Karolingische Klosterstadt, der „Campus Galli“ den Messebesuchern vorstellte.

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Geurten freut sich, dass „Campus Galli“ bei der Messe gut in den Auftritt des Bodenseestands integriert gewesen sei. Zudem sei er eingeladen worden, die Klosterstadt bei einer Messe in Pforzheim an einem kostenfreien Stand vorzustellen, berichtet Geurten.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Gestern im Südkurier:
Professor mit Wurzeln in Meßkirch berät Klosterstadt-Macher

Matthias Becher lebt in Bonn und fühlt sich durch seine Nähe zu Meßkirch zur Mitarbeit im wissenschaftlichen Beirat verpflichtet:

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Bert M. Geurten (links) konnte Matthias Becher (rechts) für die Kolsterstadt begeistern.

Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins Karolingische Klosterstadt, kündigt es vor kurzem an: Im wissenschaftlichen Beirat, der die Arbeiten auf der Baustelle begleiten wird, soll ein Meßkircher mit dabei sein: Matthias Becher, Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Bonn, und gebürtig aus der Heideggerstadt. Der 52-jährige Historiker freut sich über seine neue Aufgabe: „Es ist ein elektrisierender Gedanke, dass Meßkirch mit der Klosterstadt eine weitere Dimension bekommt.“ Läge die Klosterstadt in Bayern oder selbst in Pfullendorf, wüsste er nicht, ob er zugesagt hätte, bekennt er. Durch seine Nähe zu Meßkirch fühle er sich aber verpflichte, mitzumachen.
Dabei hat Becher keine Verbindungen mehr in die Heideggerstadt. Nachdem er 1978 am Heidegger-Gymnasium sein Abitur machte, studierte er in Konstanz und blieb bis 1983 seiner Heimatstadt verbunden, wo er noch in der ersten und zweiten Mannschaft Handball spielte, erinnert er sich. Dann wechselte er nach Paderborn, wo er 1995 Professor wurde und arbeitet seit 1998 an der Universität Bonn. Bis vor kurzem habe er mit seiner Familie noch regelmäßig seine Mutter in Meßkirch besucht, die Ende November nun aber verstorben sei.
Sein Interesse an der Klosterstadt sei es, mitzuhelfen, dass das Projekt wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. „Es ist wichtig, dass eine solche Sache nicht angreifbar wird“, sagt er. Andererseits sei es für den Verein auch wichtig Rückendeckung durch die Wissenschaft zu bekommen und zu zeigen, dass es ihm Ernst sei.
Zum Klosterstadtprojekt gekommen sei er durch Geurten, der per Zufall erfahren habe, dass er aus Meßkirch stammt und sich als Historiker mit der Karolingerzeit beschäftigt. Sein Arbeitsschwerpunkt liege zwar eher in der politischen Geschichte und bei Karl dem Großen „aber von berufswegen wusste ich, dass es den Klosterstadtplan gibt und er in der Stiftsbibliothek von St. Gallen liegt“, räumt er ein. In der Zwischenzeit habe er sich natürlich über das Internet schlau gemacht und die Vorgeschichte des Projekts in Meßkirch recherchiert. Angesichts der Laufzeit des Klosterstadtprojekts spricht er von einer „spannenden“ und „vom wissenschaftlichen Standpunkt her nicht ganz einfachen Sache“. Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats werde es so sein, Fragen der Bautechnik gerecht zu werden, um nach menschlichem Ermessen auf der richtigen Seite zu sein wenn es um die Frage geht, ob in der Karolingerzeit tatsächlich mit den selben Mitteln gearbeitet wurde wie dies ab 2013 auf der zukünftigen Baustelle zwischen Rohrdorf und Langenhart geschehen soll.
Das Thema „Mittelalter“ stoße immer auf sehr großes Interesse und bei Geschichtsausstellungen etwa würden die Erwartungen in den Besucherzustrom immer übertroffen, sagt er. „Das ist eine Frage der Organisation“, stellt er mit Blick auf den Fremdenverkehr fest. Wenn in dem Bereich alles gelingt, könne er sich vorstellen, dass die erwartete Zahl der Besucher tatsächlich auch ihren Weg in den südlichen Landkreis Sigmaringen findet.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Montrose »

Wer soll in dem "Kloster"friedhof begraben werden?


Tod und Sterben sind ernsthafte Themen. Wenn wir daraus Historienspiele machen, schafft dies das ursprüngliche Thema nicht aus der Welt.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute im Südkurier:
Klosterstadt: St. Galler Stiftsbibliothekar berät

Ernst Tremp, Stiftsbibliothekar von St. Gallen, wird im wissenschaftlichen Beirat für die geplante Klosterstadt in Meßkirch mitmachen. Das teilt Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins Karolingische Klosterstadt, mit.
Die Stiftsbibliothek St. Gallen ist eine der größten und ältesten Klosterbibliotheken der Welt. In ihr wird das Original des Klosterstadtplans aus dem neunten Jahrhundert aufbewahrt, der auf der Insel Reichenau entstanden ist und nach dem die Klosterstadt in Meßkirch erbaut werden soll. Der Beirat soll den Fortschritt der Arbeiten in Meßkirch wissenschaftlich begleiten.
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Gestern in der Schwäbischen Zeitung:
Tanja Bosch und Dirk Thannheimer haben geschrieben:

Ochsenfütterer bekommen jetzt erst ihr Futtergeld

Seit Anfang November verpflegen Christian Fecht und Erika Scheidemantel die vier Ochsen für Campus Galli

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Ochsenfütterer bekommen jetzt erst ihr Futtergeld

”¨”¨In der Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag wollte CDU-Stadtrat Karl-Heinz Thoma von Bürgermeister Arne Zwick wissen, was an dem Gerücht dran sein, dass Christian Fecht und Erika Scheidemantel, die jeweils zwei Ochsen für die Klosterstadt Campus Galli füttern und pflegen, für diese Leistung noch kein Geld vom Verein karolingische Klosterstadt erhalten haben sollen. Zwick hielt sich zurück, sagte aber, dass der Verein keineswegs finanziell am Ende sei. Denn diesen Verdacht sollen die Meßkircher Bürger in der Vergangenheit geäußert haben.

Thoma lag mit seiner Vermutung jedenfalls nicht verkehrt, wie die Recherche der Schwäbischen Zeitung Meßkirch ergeben hat. Denn weder Fecht noch Scheidemantel haben bislang einen Cent gesehen. Das soll sich nun aber schleunigst ändern. Gestern erhielten die beiden Ochsenfütterer Besuch von Bert M. Geurten, Vorsitzender der karolingischen Klosterstadt. „Es handelt sich um ein Missverständnis. Selbstverständlich bekommen beide ihr Futtergeld“, sagt Geurten, der von Zwick über Thomas Wortmeldung informiert wurde. Vielleicht war dies auch der Auslöser, warum Geurten so prompt reagierte. Von Christian Fecht lag Geurten keine Kontonummer vor, die Rechnung von Erika Scheidemantel war auf den Schwiegersohn ausgestellt. „Ich konnte mit dem Namen des Schwiegersohns nichts anfangen. Deswegen habe ich nicht gehandelt“, sagte Geurten, der das Futtergeld in den nächsten Tagen auf die jeweiligen Konten überweisen will, damit nicht noch weitere Gerüchte kursierten. Täglich zwei Euro pro Ochse als Aufwandsentschädigung wurden mit Geurten vereinbart. Da kommt einiges zusammen, denn schließlich werden die vier Ochsen Kilian, Jonathan, Korbinian und Karl seit November täglich mit Heu gefüttert und gepflegt. Nach Geurtens Besuch wurden die Wogen erst einmal geglättet, nachdem noch vor zwei Tagen die Ochsenfütterer enttäuscht waren, weil sie sich im Stich gelassen fühlten.
„Wir bezahlen bisher alles aus eigener Tasche“, sagte Gemeinderatsmitglied Christian Fecht von der CDU am vergangenen Donnerstag. Und auch Erika Scheidemantel steckte seit November 2011 einige hundert Euro in die Tiere, die für die Klosterstadt so wertvoll sein sollen. „Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen“, so die 61-Jährige. Jetzt ist sie froh, dass Geurten gestern das Missverständnis aufklärte. Mit dem vereinbarten Betrag kann sie allerdings ihre Kosten nicht decken. „Dass es mit den Ochsen ein schlechtes Geschäft sein könnte, haben wir vermutet, aber wir machen das aus Liebe zu den Tieren“, so Scheidemantel. Geurten will in Zukunft vierteljährlich den Betrag pünktlich überweisen. „Wir sind nicht pleite, wir können das Futtergeld bezahlen.“
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute in Spiegel-Online:
Angelika Franz hat geschrieben:
Bauen wie vor 1200 Jahren

Meßkirch meißelt sich ins Mittelalter

In Baden-Württemberg wird eine komplette mittelalterliche Klosterstadt gebaut - unter streng historischen Bedingungen: Maschinen und Regenmäntel sind verboten, Kaffee gibt es nicht. Forscher hoffen so auf neue Erkenntnisse über das neunte Jahrhundert.


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St. Gallener Klosterplan: Der Plan vom Beginn des neunten Jahrhunderts zeigt die ideale Klosteranlage, wie der Abt Haito von Reichenau sie sich vorstellte. Sie wurde nie gebaut - und soll jetzt in Baden-Württemberg entstehen.

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Vorbild GuÁ©delon (AFP, links): Im französischen Burgund errichten Bauleute mit mittelalterlichen Techniken eine Burganlage aus dem 13. Jahrhundert - und ziehen jedes Jahr Besucherströme im sechsstelligen Bereich an. Arbeiter in GuÁ©delon (AFP, rechts): Moderne Hilfsmittel sind bei den Bauarbeiten verboten - genauso wie es in Meßkirch der Fall sein wird.

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Unternehmer Geurten (Silke Sage): "Unser Ziel ist es nicht, am Ende eine Klosterstadt zu haben, sondern sie zu bauen."

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Modell der geplanten mittelalterlichen Klosterstadt steht in der Stadthalle von Meßkirch: Das Projekt soll rund 40 Jahre dauern.

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Arbeiter in GuÁ©delon (Bert M. Geurten): Hier wird gelegt und gearbeitet wie im Mittelalter - was Archäologen wertvolle Erkenntnisse über das damalige Alltagsleben verspricht.

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Bilder (Bert M. Geurten, v.l.o.n.r.u.) Seilwinde: Die bisherigen Arbeiten in GuÁ©delon geben einen Vorgeschmack auf das, was im Frühjahr 2013 in Meßkirch beginnen wird. Schuppen in GuÁ©delon: Wie hier dürfen auch die Arbeiter in Meßkirch ausschließlich mittelalterliches Material benutzen. Modernes Werkzeug ist ebenso verboten wie Regenmäntel. Schmiede nach mittelalterlichem Vorbild: "Da wird keiner kitschige Hufeisen für Touristen hämmern." Seile in GuÁ©delon: Kunstfasern sind auf der Mittelalter-Baustelle verpönt - stattdessen wir ausschließlich auf Naturmaterialien gesetzt.

Was machte ein mittelalterlicher Steinmetz, wenn mitten bei der Arbeit ein heftiger Frühjahrsregen einsetzte? Regenschirme sind auf Baustellen extrem unpraktisch. Polytetrafluorethylen für Goretex-Jacken war noch nicht bekannt, ebenso wenig wie Polyvinylchlorid (PVC) zur Herstellung von Friesennerzen. "Er zog sich eine Jacke aus gewalktem Loden über", erklärt Bert Geurten.

Gewalkte Lodenjacken werden also an Regentagen das Bild auf seiner Baustelle bestimmen. Die liegt bei Meßkirch, im südlichen Oberschwaben, zwischen Donau und Bodensee. Hier wird ab 2013 eine karolingische Klosterstadt entstehen - gebaut mit den Materialien und Techniken des neunten Jahrhunderts. Vom Mörtel bis zur Mauer, vom Regenschutz bis zum Speiseplan soll hier alles genau so sein wie zu den Tagen Karls des Großen. "Wir wollen so authentisch arbeiten wie möglich", sagt Geurten.

Den Plan dazu trägt der rheinländische Unternehmer schon lange in mit sich herum. Gerade einmal 16 Jahre alt war der heute 62-Jährige, als er in seiner Heimatstadt Aachen in einer Ausstellung ein Modell des St. Gallener Klosterplans sah. Der Plan vom Beginn des neunten Jahrhunderts zeigt die ideale Klosteranlage, wie der Abt Haito von Reichenau sie sich vorstellte.
Die Zeichnung widmete er seinem Kollegen Abt Gozbert von St. Gallen, der dem Kloster von 816 bis 837 vorstand. Vom Hühnerstall bis zur Kirche für 2000 Gläubige zeichnete Haito akribisch alles auf, was seiner Meinung nach eine Klosterstadt zum Leben braucht. Gebaut wurden die insgesamt 52 Gebäude nie - bis im Frühjahr 2013 die Ochsenkarren die ersten Steine auf die Baustelle im Wald bei Meßkirch ziehen werden. Um das Jahr 2050, so die bisherigen Schätzungen, könnte die Klosterstadt stehen.
Hoffen auf neue Erkenntnisse über das Leben im Mittelalter
Schon das lässt die Dimensionen des Projekts erahnen - und es ist längst nicht nur eine Touristenattraktion, sondern knallharte wissenschaftliche Arbeit. Zwölf Experten, darunter Historiker, Architekten und Archäologen, sitzen im wissenschaftlichen Rat der Klosterstadt. Ihre Aufgabe ist es, sowohl die Handwerker zu beraten, als auch aus deren Erfahrungen zu lernen.
Derartige Experimente versprechen seltene Einblicke in das Alltagsleben der Vergangenheit. Wie die Menschen vor vielen Jahrhunderten ihre Häuser bauten, ihr Essen zubereiteten oder ihre Kleidung anfertigten, ist heute oft nur noch auf eine Art herauszufinden: Man muss es ausprobieren. Dank der experimentellen Archäologie wissen Forscher etwa, dass antike Leinenpanzer so gut schützen wie Kevlar-Westen, wie in der Bronzezeit Bier gebraut wurde und wie Steinzeitmenschen scharfe Klingen herstellten.
Das neunte Jahrhundert - also jene Zeit, die das Projekt "Karolingische Klosterstadt" nachempfinden soll - ist besonders interessant für solche Experimente. Denn aus der Periode vor 1100 bis 1200 Jahren haben, anders als etwa aus dem Hochmittelalter, nur wenige Schriften die Zeit überdauert. "Unser Ziel ist es nicht, am Ende eine Klosterstadt zu haben", betont Geurten, "sondern sie zu bauen."
Das erste Gebäude wird eine kleine Holzkirche sein. "Natürlich haben sie im Mittelalter nicht gleich als erstes die große Steinkirche gebaut", erklärt der Unternehmer. Die Handwerker wollten bei damaligen Bauprojekten nicht mit dem Beten warten, bis die Steinkirche fertig war. Deshalb zimmerten sie eine einfache Holzkirche als Übergangslösung, bis die Klosterbewohner Jahrzehnte später in den steinernen Prachtbau umziehen konnten.

Mittelalterliche Bedingungen für Handwerker und Besucher

Die Karren mit den Steinen werden in Meßkirch Hinterwälder Ochsen ziehen. Diese Rasse kommt mit 115 bis 125 Zentimetern Widerristhöhe bei einem Gewicht von 380 bis 480 Kilo den kleinen Arbeitstieren aus der Zeit Karls des Großen am nächsten. "Sie stammen von den Keltenrindern ab", sagt Geurten.
Nicht nur die Handwerker müssen sich auf mittelalterliche Bedingungen einlassen, sondern auch die Besucher. Geplant ist, sie vom Parkplatz aus zunächst einen längeren Weg laufen zu lassen, bis sie auf die Baustelle gelangen. "Sie sollen eine Zeitreise machen und die Gegenwart dabei zurücklassen", sagt Geurten. Wenn sie dann der Hunger überkommt, wird es in der Klosterstadt nur das geben, was im 9. Jahrhundert auf der Speisekarte stand. "Die Kartoffel war unbekannt", sagt Geurten. Frittenbuden mit Pommes wird man deshalb vergeblich suchen. "Und auch Kaffee wird man bei uns nicht trinken können." Alles, was die Handwerker und Gäste verzehren, muss zuvor dem Boden rund um die Baustelle abgetrotzt werden.
Dass Besucher sich von einem so strikten Konzept nicht abschrecken lassen, zeigt die Burg GuÁ©delon. Im französischen Burgund errichten Bauleute mit mittelalterlichen Techniken die Burganlage aus dem 13. Jahrhundert - und ziehen jedes Jahr Besucherströme im sechsstelligen Bereich an. "Die Befragungen der Besucher in GuÁ©delon haben gezeigt, dass sie im Schnitt alle drei Jahre wiederkommen", erklärt Geurten. "Sie wollen die Burg wachsen sehen, wollen den Fortschritt mitverfolgen."
So wünscht er es sich auch für seine Klosterstadt, und das nicht nur aus ideellen Gründen: Die Startfinanzierung von rund einer Million Euro aus den Kassen von Stadt, Landkreis und der EU reicht nur für die ersten Jahre. Danach muss sich das Projekt selbst tragen.

Ein freies Wochenende in acht Monaten

Entsprechend knapp bemessen ist der Verdienst der Handwerker. "Der Nettolohn liegt etwa bei 1200 Euro", sagt Geurten. "Mehr kann ich nicht zahlen". Auch die Arbeitszeiten sind nichts, was moderne Gewerkschaften mit sich machen ließen. Gearbeitet wird vom 2. April - dem Geburtstag Karls des Großen - bis zum Martinstag am 11. November, und das nahezu durchgehend. In den acht Monaten gibt es nur ein einziges Wochenende frei. "Am Martinstag wurde im Mittelalter immer die Pacht fürs Jahr fällig", erklärt Geurten. Danach ist Winterpause auf der Baustelle, bis im April die Temperaturen wieder hoch genug sind.

Trotzdem kann das Projekt sich vor Bewerbern kaum retten. "Allein 85 Steinmetze haben sich bei mir beworben", sagt Geurten. "Sie träumen alle davon, ihren Beruf einmal nur mit den Händen ausführen zu können." Das gilt auch für die Schmiede. "Da wird keiner kitschige Hufeisen für Touristen hämmern. Die Schmiede müssen die Baustelle mit Werkzeugen versorgen."

Insgesamt bietet die Baustelle Platz für 20 bis 30 Festangestellte. Dazu kommen die freiwilligen Helfer. Auch da sei das Interesse gewaltig: "Vom Lufthansapiloten bis zur Lehrerin haben sich hier schon alle möglichen Menschen beworben." Ein Bewerber habe sein Arbeitsgesuch sogar im mittelalterlichen Deutsch auf einer Rolle echtem Pergament geschickt. Auch Schulklassen sollen auf der Baustelle mitschuften dürfen - bis zu einer Woche lang. "Wir entwickeln ein Konzept, mit dem die Kinder den Aufenthalt schon vorher im Unterricht vorbereiten können", sagt Geurten.

Etwa 40 Jahre werden vergehen bis zur Setzung des Schlusssteins an der Klosterkirche. Guerten wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr leben. Doch das ist ihm egal: "Ich möchte nur in der Krypta als Gründervater eine Gruft bekommen. Da können sie dann kommen und Kerzen für mich anzünden."
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute im Radio:
Karolin Döhne hat geschrieben:
Stadtgespräch: Bauen wie vor 1200 Jahren ”“ Meßkirch errichtet Klostertadt

Maschinen, Strom, Kaffee und Wurstbrötchen: Das sind Dinge, die auf keiner Baustelle fehlen dürfen. Was aber, wenn das alles wegfällt? In Meßkirch soll eine Klosteranlage entstehen - ganz im mittelalterlichen Arbeitsstil.

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Foto (Felix Kaestle): In 40 Jahren soll die Klosteranlage gebaut sein. Bert Geurten: Ist der Initiator der karolingischen Klosterstadt.

Wer im Mittelalter ein Kloster bauen wollte, brauchte neben Handwerkern und viel Geld auch eine Menge Zeit. Ohne Maschinen dauerte ein solches Vorhaben etliche Jahrzehnte. Genau so will man nun in Meßkirch, einer kleinen Stadt in Baden Württemberg, eine mittelalterliche Klosterstadt bauen - ohne Strom und Maschinen. 40 Jahre Bauzeit sind für den  "Campus Galli" geplant.
Das bedeutet für die Handwerker: Nur ein freies Wochenende pro Monat während der Bauphase und Arbeiten nur mit den technischen Hilfsmittel, die es auch schon während des neunten Jahrhunderts gab.
Durch das Projekt soll Besuchern, Handwerkern und Forschern ein lebendiger Einblick in das frühe Mittelalter ermöglicht werden.
Über die Idee, ein Kloster wie im Mittelalter zu bauen, haben wir mit dem Initiator der karolingischen Klosterstadt Bert Geurten gesprochen.

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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute im Südkurier:
Spiegel-Online-Bericht löst viele Anfragen aus

Das Medieninteresse an der karolingischen Klosterstadt ist seit Veröffentlichung eines Berichts über das Projekt auf „Spiegel Online“ vor zwei Tagen überwältigend. Das sagt Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins Karolingische Klosterstadt. Es habe Anfragen von großen Fernsehsendern gegeben. Auch mehrere überregionale Zeitungen seien auf das Projekt aufmerksam geworden. Mittlerweile stehe der Spiegel-Online-Bericht („Bauen wie vor 1200 Jahren ”“ Meßkirch meißelt sich ins Mittelalter“) auch in einer englischen Fassung im Internet zur Verfügung. Durch den Spiegel-Bericht hätten sich auch 20 Interessenten aus dem Gebiet Meßkirch-Sigmaringen-Tuttlingen gemeldet, die ehrenamtlich auf der Klosterstadt-Baustelle mitarbeiten wollten. Das sei gerade am Anfang „ganz wichtig für das Gelingen des Projekts“, sagt Bert M. Geurten.
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Letzten Monat in der Schwäbischen Zeitung:

03.03.12:
Volker Knab hat geschrieben:
Klosterstadt soll Langzeitarbeitslosen Perspektive bieten

Am Montag beginnt Projekt mit dem Werkstättle ”“ 15 Plätze sind genehmigt

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Klosterstadt soll Langzeitarbeitslosen Perspektive bieten

Gespannt warten die Verantwortlichen vom Werkstättle und vom Verein karolingische Klosterstadt, wie viele Frauen und Männer ihnen vom Jobcenter Sigmaringen vermittelt werden. Am Montag startet eine Kooperation, von der sich die Verantwortlichen einen Gewinn für alle Beteiligten versprechen. 15 Arbeitsgelegenheiten (AGH) im Rahmen der Hartz IV-Gesetzgebung sind für das Projekt des Werkstättle genehmigt. Den auf die Plätze vermittelten Langzeitarbeitslosen will das Klosterstadt-Projekt „eine langfristige Perspektive bieten“, sagt Bert M. Geurten, Vorsitzender des Vereins „Karolingische Klosterstadt Meßkirch“.
Vorbild ist dabei die Realisierung der Abenteuergolf-Anlage im Seepark Linzgau. Die vom „Werkstättle“ im Pfullendorfer Seepark-Linzgau geschaffene Anlage ”“ mit Abstand der Besuchermagnet für die Einrichtung ”“ hat nach Beendigung des Projekts inzwischen zehn saisonale Arbeitsplätze geschaffen. Der derzeit laufende Bau der Fußballgolf-Anlage im Seepark Linzgau ist ein ähnliches Projekt mit drei Arbeitsgelegenheiten und zwei Ánstellungsverhältnis-sen für die laufenden Projekte.
An die Dimensionen der Anzahl an Arbeitsgelegenheiten, die für das Projekt „Karolingische Klosterstadt“ genehmigt sind, kommt die Fußballgolf-Anlage freilich nicht heran. Gleichzeitig könnte die Klosterstadt aber auch langfristig entsprechend viele neue Arbeitsplätze eröffnen. Immerhin sind es 15 AGH-Plätze.

Frauen sind gefragt, die nähen können

In dem einen Jahr bis zur geplanten Eröffnung der karolingischen Klosterstadt werden die im Projekt arbeitenden „Schindeln machen und beispielsweise mit einem Wagner einen mittelalterlichen Wagen herstellen“, sagt Geurten. Wenn es gut laufe, könnten die dann den mittelalterlichen Ochsenkarren bauen, kann er sich vorstellen.
Weiter sind Frauen gefragt, die nähen können. Eins unterstreicht Geurten mit Nachdruck: „Die haben alle eine Chance, bei uns später auf der Baustelle eine Stelle zu bekommen“, sagt er. Und das sei dann auf jeden Fall eine langfristige Perspektive: „Wir planen das Projekt auf 40 Jahre“, sagt er.
27.03.12
Sven Zeller hat geschrieben:
Klosterstadt sucht die Superhandwerker

Der Förderverein organisiert ein Casting für freiwillige Helfer auf der künftigen Bausstelle

Die Vorbereitungen für den Bau der karolingischen Klosterstadt „Campus Galli“ in Meßkirch laufen auf Hochtouren. Der Bau, der 2013 beginnen soll, zieht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Deshalb lädt der Förderverein am kommenden Wochenende zu zwei Veranstaltungen ein.
Da in den vergangenen Wochen viele Freiwillige ihre Hilfe angeboten haben, sich an dem Projekt aktiv zu beteiligen, findet am Samstag, 31. März, eine Art Casting für Interessierte statt. „Die Resonanz bei den Leuten ist sehr groß. Wir haben sehr viele Anfragen von Freiwilligen bekommen, die gerne in diese Zeit zurückreisen möchten um somit Teil dieses Projekts sein zu können“, so Bert Geurten, Vorsitzender des Fördervereins.
Gesucht seien unter anderem drei Steinmetze und ein Wagner. „Wir suchen vor allem Interessierte, die sich in der Geschichte gut auskennen und mit dem notwendigen Handwerk aus dem 9. Jahrhundert vertraut sind. Auch sollte das mittelalterliche Outfit den Interessierten stehen, um die Baustelle möglichst realitätsnah zu gestalten. Insgesamt rechnen wir mit bis zu 100 Bewerbern“, sagt der Vorsitzende. Parallel zum Casting werden bereits ausgewählte Handwerker zwischen 10 und 17 Uhr auf dem künftigen Gelände der karolingischen Klosterstadt in Outfits aus dem 9. Jahrhundert zu sehen sein und über ihre Arbeit informieren.

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Den Startschuss gibt es am Sonntag, 1. April, um 11.30 Uhr im großen Saal des Meßkircher Schlosses. Es werden kleine Vorträge mit interessanten Informationen gehalten und im Anschluss um 13 Uhr wird auf Karl den Großen angestoßen der, geboren im Jahr 748, am nächsten Tag Geburtstag hättte. In einem Jahr dann soll an diesem Tag die Baustelle jährlich vom 2. April bis zum 11. November für Besucher geöffnet werden. Wenn dann die Bauarbeiten begonnen haben, können Besucher auf dem Campus Galli, der Baustelle der karolingischen Klosterstadt Geschichte live erleben und sogar selbst Hand anlegen, anders als bei einem konventionellen Museumsbesuch, erklärt Geurten. Da der Bau voraussichtlich 40 Jahre daure, sei ein Besuch in der Klosterstadt über Jahre hinaus immer wieder unheimlich spannend. Man könne beobachten, wie die Baustelle ständig wächst, weswegen ein Besuch immer etwas Neues zu bieten habe. Auch international sei das Bauvorhaben auf Aufmerksamkeit gestoßen. Eine brasilianische Zeitung wolle in Brasilien von der karolingischen Klosterstadt in Meßkirch berichten.
Nun hofft der Förderverein, dass das schöne Wetter bis zum Wochenende anhält und somit viele Besucher zum Auftakt lockt.
30.03.12
Stadt beginnt mit Werbung für die Klosterstadt

Verein erhält Anfragen aus halb Europa ”“ Arne Zwick bittet die Bürger um Unterstützung

„Wenn wir auch in Meßkirch davon wenig zu sehen und zu spüren bekommen, kann ich mitteilen, dass Stadtverwaltung und Karolingischer Verein natürlich voll am Werken sind“, begann Bürgermeister Arne Zwick bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderates den Sachstandsbericht zu „Campus Galli“, der karolingischen Klosterstadt.
So würden sich derzeit die Aktivitäten des Vereins hauptsächlich auf den Besuch von und die Werbung auf Messen, den Bereich Marketing sowie auf die Vorbereitungen des Projekts mit den Langzeitarbeitslosen erstrecken, das ab April zu laufen beginnen soll. Darüberhinaus beginne man mit in der Raumschaft tätigen Tourismusverbänden Kooperationen anzustreben und erste Kontakte zu Busverbänden zu knüpfen. Die überregionale Pressearbeit laufe optimal. Mittlerweile bekomme der Verein nicht nur Anfragen aus halb Europa, sondern sogar aus Brasilien. „Das Ding ist voll am Laufen, wir sind mitten im Raumordnungsfverfahren und immer noch sind keine Hindernisse erkennbar“, fuhr Zwick fort und appellierte an das Gremium und die Zuhörer, das Projekt weiterhin tatkräftig zu unterstützen, so zum Beispiel am heutigen Samstag mit einem Besuch auf der künftigen Baustelle und am Sonntag mit der Teilnahme an einer kleinen Geburtstagsfeier im Schloss zu Ehren von Karl dem Großen, dem Förderer der Klöster des Karolingerreiches. Beide Veranstaltungen seien öffentlich. „Es läuft momentan unheimlich viel, der Verein ist sehr aktiv, das Projekt braucht aber immer noch Unterstützung auf allen Kanälen“, schloss Zwick seinen Bericht.

01.04.12:
Karlheinz Kirchmaier hat geschrieben:
Geurten sucht händeringend einen Wagner

Mehrere Hundert Besucher interessieren sich für Casting und Baustelle der Klosterstadt

Am Samstag ist in einer Waldlichtung zwischen der Benzenburg bei Rohrdorf und der Ortschaft Langenhart das 9. Jahrhundert zurückgekehrt. Auf der knapp 2000 Quadratmeter großen, gerodeten Fläche direkt neben einem Waldweg campierten Steinmetze, Schmiede, Korbmacher und andere Handwerker in mittelalterlichem Outfit sowie Mitglieder der Ask Alamannensippe aus Epfendorf, der Scotelingo aus Niedersachen, der Huosi aus Bayern und Uhl zu Wilhaim mit Familie und Hunden. Alle gaben sich große Mühe, das Leben und die Arbeit vor über 500 Jahren live zu präsentieren und Geschichte für Interessierte greifbar zu machen.

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Foto (Karlheinz Kirchmaier): Leben wie vor Hunderten von Jahren: So oder so ähnlich wird es ausgesehen haben.

Bei den Handwerkern handelte es sich größtenteils um Personen aus ganz Deutschland, die in den vergangenen Monaten dem Verein Karolingische Klosterstadt bereits ihre Hilfe und Unterstützung beim Bau der Klosterstadt „Campus Galli“ angeboten hatten.
Sie hatten mitten auf dem für die Klosteranlage vorgesehenen Gelände eine erste Baustelle sowohl zur Besichtigung, als auch zur Suche nach weiteren geschichtsinteressierten Bauhelfern mit Geschick im Umgang mit mittelalterlichem Handwerk eingerichtet ”“ ein Casting also.
Das Interesse an der Klosterbaustelle war groß. Schon am Samstagvormittag zogen Scharen von Besuchern vom Parkplatz an der L 196 zur zukünftigen Baustelle, ließen sich dort von Handwerkern und Mitarbeitern des Vereins oder vom Vorsitzenden Bert M. Geurten über das mittlerweile bundesweit bekannte Projekt informieren.
Waldemar Gorzawski, Leiter des Meßkircher Bildungswerkes, sagte: „Ich bin begeistert. So hat es vor über 500 Jahren begonnen. Mit einer nicht befestigten Siedlung und allen Arbeiten, die dann zur Befestigung von Bauten benötigt wurden“. Genauso begeistert von dem Projekt Klosterstadt ist Volksbank- Vorsitzender Markus Herz. Er findet es eine interessante Geschichte, die eigentlich jetzt alle positiv unterstützen und umzusetzen helfen sollten.
Vom Chef Bert M. Geurten persönlich zum Casting am Samstag eingeladen wurde Adolf Riester. Riester ist nämlich neben Schreinermeister gleichzeitig Museumswagner im Freilichtmuseum in Neuhausen ob Eck. Nach einem Wagner sucht Geurten schon seit Längerem händeringend. Er soll in Kooperation mit Arbeitskräften des Werkstättle e.V. in Pfullendorf den dringend notwendigen Ochsenkarren zum Transport von Steinen bauen. „Ob ich da mitmache, sieht man noch. Erst will ich mich mal hier genauer darüber informieren lassen“, erklärt der Leibertinger gegenüber der SZ.
Doch nicht bloß Einheimische interessierten sich für das Projekt und die mittelalterliche Baustelle. So zum Beispiel Thomas Fuhrmann aus Mecklenburg: „Ich war arbeitslos und suchte Arbeit. Bei der Suche nach einer Arbeitsstelle stieß ich in der Zeitung auf einen Bericht, der den Bau der Klosterstadt zum Inhalt hatte und in dem nach Arbeitskräften gesucht wurde. Ich war von dem Projekt sofort hell begeistert, nicht zuletzt deshalb, weil ich für mich darin eine langjährige Perspektive sah. Ich hatte Glück. Meine Bewerbung wurde positiv beschieden. Heute freue ich mich, dass ich hier bin “, erklärte der gelernte Bauzeichner, der mittlerweile auch schon Meßkircher Einwohner geworden ist.
Noch nicht in Meßkirch wohnt Andreas Sturm. Der frühere museumspädogogische Mitarbeiter aus Aachen wurde vom Verein als Projektmanager angeworben und ist neben der Architektin für die Bauleitung verantwortlich. Außerdem sorgt er auch dafür, dass die Leute mittelalterliche Kleidung tragen und näht auch Kleider selbst. „Schwierigkeiten macht mir momentan nur die stilechte Kopfbekleidung für die Handwerker, da die gültigen Arbeitsschutzbestimmungen für Bauhelfer einen Schutzhelm vorschreiben, den man im Mittelalter aber nicht kannte. Hier muss ich mir noch was einfallen lassen“, räumt der Projektmanager schmunzelnd ein.
Auch für Architektin Simone Jansen vom Verein Karolingische Klosterstadt geht Sicherheit vor. „Natürlich wird alles, was wir hier bauen, ganz durchgerechnet und auch von Statikern geprüft. Bestehende Vorschriften werden eingehalten. Gesundheit oder Leben dürfen auch bei uns nicht aufs Spiel gesetzt werden. Um Kompromisse kommen wir deshalb nicht herum“ erklärt sie.
Am 1. April vor 1000 Jahren:
Meßkirch feiert Karl den Großen

Mehr als 100 Mitarbeiter, Förderer und Freunde des Vereins „Karolingische Kosterstadt e.V“ kamen am späten Sonntagvormittag im Festsaal des Meßkircher Schlosses zusammen, um den 264. Geburtstag Karl des Großen mit einem kleinen Festakt zu feiern. Der Verein hatte dazu eingeladen, nachdem Karl der Große zu Lebzeiten Förderer und Träger vieler karolingischer Klöster war. Erster Vorsitzender Bert M. Geurten konnte neben Bürgermeister Arne Zwick den in Meßkirch geborenen und zur Schule gegangenen Dr. Matthias Becher, Professor für mittelalterliche Geschichte, führender Experte zur Karolingerzeit und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats sowie Manfred Sattler, den neuen Vorsitzenden des Wirtschaftsbeirates Campus Galli, begrüßen. Zum Programm der Feier referierten Walter Knittel, Leiter des Freilichtmuseums Neuhausen ob Eck, zu den Anfängen des Freilichtmuseums und Simone Jansen, Dipl.-Ingenieurin und Architektektin sowie Andreas Sturm, Projektmanager und Mitarbeiter in der Bauleitung, zum Stand der Baumaßnahme (unser Bild), wobei man über die Klärung der Frage, von welchem Maßstab man bei dem Orginalplan ausgehen kann, bislang nicht hinauskam. Mit einem von der Stadt Meßkirch gespendeten Stehempfang endete die zweistündige Feier.

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Meßkirch feiert Karl den Großen
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Norbert von Thule
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

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12.07.12
Hiltibold hat geschrieben:
Die karolingische Klosterstadt Messkirch und der St. Galler Klosterplan: Entworfen für den Süden.

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Im Rahmen des Projekts Campus Galli - Karolingische Klosterstadt Meßkirch, soll mit den Methoden der sogenanten Experimentellen Archäologie, eine komplette klösterliche Ansiedlung des 9. Jh. rekonstruiert werden - als Vorlage dient der idealtypische, nie umgesetzte  Klosterplans von St. Gallen. Die Bauarbeiten werden auf rund 40 Jahre veranschlagt, die Eintrittsgelder zahlender Besucher sollen zukünftig die Finanzierung sichern - ähnlich wie bei dem französischen Projekt von Guedelon (auch die Kärntner Burg Friesach sei an dieser Stelle erwähnt!). Sämtliche Handwerker auf der Baustelle sollen, dem Prinzip von Living History folgend, ihren Tätigkeiten in möglichst zeitgenössischer Kleidung nachgehen (soweit es der Arbeitsschutz zulässt). 
Nun zu dem, was mich in diesem Zusammenhang umtreibt:
Mir ist in letzter Zeit wiederholt im Netz der Hinweis untergekommen, dass der St. Galler Klosterplan Merkmale aufweist, die darauf hindeuten, dass der Ersteller dieses Plans ein Kloster im Sinn hatte, das im sonnenverwöhnten Südeuropa stehen sollte, und nicht in einer deutlich kühleren Gegend, nördlich der Alpen (Meßkirch, der Ort wo die Karolingische Klosterstadt enstehen soll, liegt in Baden-Württemberg).
Also habe ich meine einschlägige Literatur hervorgekramt und wurde rasch fündig: Beispielsweise in Konrad Hechts Monographie, "Der St. Galler Klosterplan", geht es in einem ganzen Kapitel nur um die Frage, für welche klimatischen Bedingungen das Kloster ausgelegt wurde. Sein Fazit vorweg: Eindeutig für den Süden.  
Ein besonders starkes Indiz, ist ein im Plan eingezeichneter Versorgungsbau, der wie folgt bezeichnet wurde: domus ad p(rae) parandu(m) pane(m) s(an)c(ta)m et oleum exprimendum*
In diesem Gebäude sollten also quasi die Hostien und das Öl (zur Beleuchtung) gepresst bzw. hergestellt werden. 
Doch woraus gewinnt man nördlich der Alpen Öl? Heutzutage aus Kernen bzw. Samen bestimmter Früchte. Das war, als der Plan gezeichnet wurde, aber noch nicht üblich. Damals wurde (Lampen-)Öl aus Oliven gewonnen. Die wiederum wachsen nur in bestimmten Gegenden Südeuropas! Wozu braucht aber ein Kloster, das nicht in einer Anbauregion für Oliven liegt, einen speziellen Raum zur Ölgewinnung?
Es gibt noch einige andere, typisch südländische Besonderheiten, wie die Tatsache, dass man bevorzugte Gebäude, beispielsweise das Krankenhaus, an schattige Stellen legte (in unseren Breiten würde man das Krankenhaus in einem sonnigen Bereich platzieren). 
Da zumindest dieser Punkt der Forschung nicht verborgen blieb, suchte man nach Erklärungen. Eine besonders schwache ist, dass der Zeichner des Klosterplans aus dem Süden kam und deshalb aus Gewohnheit südliche Merkmale mit einfließen hat lassen. Das wäre dann allerdings so, als ob ein Architekt aus Kalifornien, in Island Häuser ohne Wärmeisolierung, dafür aber mit Pool bauen möchte - bloß weil er es eben so von zuhause gewöhnt ist ;)
Ob der St. Galler Klosterplan demnach nicht eher die Kopie eines Plans aus Südeuropa ist?

(Ich hoffe man ist sich in Meßkirch obiger Tatsachen bewusst und übernimmt das Kloster nicht 1:1 vom Plan aus St. Gallen.)

Nachtrag:
Da ich bemerkt habe, dass schon einige Leute über diesen Artikel gestolpert sind, hier der Link zur "Fortsetzung". Dort wird auch auf den Kommentar von Andreas Sturm (Campus Galli) eingegangen.
Kommentare:
20.07.12
Ӭ
Andreas Sturm hat geschrieben:
Hallo!
”¨”¨die angesprochene Interpretation, dass der Plan für ein Kloster in südlichen Gefilden bestimmt sei, ist mittlerweile veraltet - wird aber dennoch häufig weiter zitiert, vielleicht weil Hechts Buch einfach eine sehr hohe Auflage erfahren hat und demnach leichter verfügbar ist als neuere Literatur.”¨”¨
Es kann heute als gesichert gelten, dass der Klosterplan auf der Reichenau explizit für das Kloster St. Gallen angefertigt wurde. Dabei diente für den Kernbereich des Plans die damals bestehende Klosteranlage auf der Reichenau als Vorlage.
”¨”¨Teilweise finden sich selbst Details wie die Heizungsanlagen und steinerne Sitzbänke im Kreuzgang im Plan so wieder, wie sie archäologisch auf der Reichenau nachgewiesen werden konnten.”¨”¨
Der Entwurf wurde allerdings im Arbeitsprozess mehrfach verändert und erweitert, bis er sein endgültiges Erscheinungsbild erreichte.
”¨”¨Jedoch darf man den Klosterplan nicht als eine Architekturzeichnung im modernen Sinne missverstehen - diesen Anforderungen genügt er in vielen Dingen bei weitem nicht. Er ist eher ein Schema, das demonstriert, wie man einen großen Klosterbetrieb sinnvoll organisieren kann.”¨”¨
Theorien, dass der Klosterplan nur die Kopie eines wie auch immer gearteten "Masterplanes" war, sind seit der Entdeckung von Zeichenspuren durch Stachura (1978) und Jacobsen (1992) obsolet geworden.”¨”¨Hecht z.B. konnte diese neuen Erkenntnisse aber leider nicht mehr in sein bekanntes Werk einfließen lassen, da er schon 1980, vor der Veröffentlichung, verstorben ist.

ӬӬGrundlegende Literatur zum aktuellen Forschungsstand:ӬӬ
W. Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur. Entwicklung und Wandel von Form und Bedeutung im fränkischen Kirchenbau zwischen 751 und 840 (Berlin, Marburg 1992)
”¨”¨W. Jacobsen, Der St. Galler Klosterplan ”“ 300 Jahre Forschung, in: P. Ochsenbein ”“ K. Schmuki (Hrsg.), Studien zum St. Galler Klosterplan II. Koll. St. Gallen 1997, Mitt. vaterl. Gesch. 52 (St. Gallen 2002) 13”“56”¨”¨
D. Büker, Vier Jahrhunderte und vier Jahre. Der Klosterplan von St. Gallen und seine Bedeutung als Dokument frühmittelalterlicher Schriftlichkeit (Frankfurt am Main 2009)”¨”¨


Mit freundlichen Grüßen,”¨”¨
Andreas SturmӬ
Projektmanager Living HistoryӬ
Ӭ
Hiltibold hat geschrieben:Ӭ
Erst mal danke für diese ausführliche Stellungnahme!”¨
Mir ist natürlich klar, dass das Buch von Hecht schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat ;)
”¨Der für ein nördlich der Alpen liegendes Kloster doch recht auffällige Raum zur (Oliven-)Ölpressung, ist andererseits nach wie vor auf dem Plan eingezeichnet.”¨
Wie wird er in den neueren Publikationen interpretiert?
”¨Hecht weist nämlich darauf hin, dass die Forscher vor ihm, diesen Raum und die Bedeutung die er impliziert, quasi "übersehen" haben. Deshalb hoffe ich, dass dieser Schnitzer nicht auch seinen Nachfolgern unterlaufen ist.
25.07.12
Andreas Sturm hat geschrieben:
Guten Tag Herr Fellner,Ӭ
soweit ich es aus dem Gedächtnis sagen kann, ist Hechts These mit der Olivenölbereitung in der jüngeren Forschung nicht weiter besprochen worden. Das würde mich aber auch nicht weiter verwundern, denn Hecht benutzt dieses Detail wie andere Beobachtungen dazu, seine Theorie einer südlichen Herkunft der Planvorlage zu untermauern.”¨”¨
Um den Vorgang richtig zu bewerten, muss man neben den vielen Eigentümlichkeiten des Klosterplanes vor allem die lange Forschungsgeschichte des Klosterplanes betrachten (hierzu insb. Jacobsen 2002).”¨”¨Zum einen ist die Übersetzung des Ausdrucks „exemplata“ in der Widmungsschrift nicht ganz eindeutig. Man kann den Abschnitt so übersetzen, dass des sich bei dem Plan um eine Kopie handelt, es kann aber auch nur ganz allgemein eine Vorlage sein (vgl. Büker 2009, 116-117, 140-141; Berschin 2005, 131).”¨”¨
Die Idee, dass der Klosterplan nur die Kopie einer älteren Vorlage sei, wurde Ende der 50er Jahre durch weiter gefestigt. Er hatte den Klosterplan untersucht und fand nach seinem Bekunden keinerlei Zirkellöcher oder Vorzeichnungen auf dem Pergament, so dass es sich beim Klosterplan von St. Gallen um die Durchpausung handeln müsse. Dies forderte natürlich Spekulationen heraus, wo und zu welchem Zweck die auf der Reichenau kopierte Planvorlage entstanden sei (Horn 1962).”¨”¨
Hechts Thesen (1983) bauen auf dieser Annahme einer älteren Planvorlage auf. Anhand von bestimmten Gegebenheiten wie etwa den antik wirkenden Haustypen, für das Klima ungeeignete Pflanzen oder eben der Olivenölpresse verortet er die Planvorlage im Süden des Reiches.”¨”¨Alle diese Ideen werden aber in der jüngeren Forschung nicht mehr verfolgt, da ihnen mit der Entdeckung von Zeichenspuren und Zirkeleinstichen durch Norbert Stachura (1978; 1980; 1982) und anschließend Werner Jacobsen (Jacobsen 1992) die Grundlage entzogen wurde.”¨”¨
Mich wundert es sehr, das Horn seinerzeit keine Zeichenspuren entdeckt haben will, denn ich habe den Plan im Frühjahr 2012 selbst gesehen und die Zirkellöcher sind mit bloßem Auge (!) gut zu erkennen.
Insbesondere seit der grundlegenden Untersuchung durch Jacobsen hat sich die Sicht auf den Klosterplan deutlich gewandelt. Die Originalität des Plans wird nicht mehr angezweifelt, die Bezüge der Planzeichnung zum Baubestand des Reichenauer Klosters sind überdeutlich (Jacobsen 1992, 325”“327; vgl. Zettler 1988).
”¨”¨Gleichzeitig entfernt sich die Interpretation des Klosterplanes mehr und mehr von einer naiv-gegenständlichen Auffassung als verbindliche Handlungsanweisung für St. Gallen (gerade Hecht möchte den Plan ja als im Gelände umsetzbaren Schnurplan verstanden wissen).
”¨”¨Der Plan erscheint auf den ersten Blick so detailverliebt, dass er den modern geschulten Betrachter geradezu herausfordert, ihn wie eine Architekturzeichnung der Gegenwart zu lesen. Doch im Detail führt dieses Vorgehen immer wieder zu erheblichen Widersprüchen und praktischen Schwierigkeiten, wie sich an der kaum zu überblickenden Literatur z. B. zur Frage eines Maßstabs, dem Fußmaßes, den widersprüchlichen Maßangaben oder auch am schlichten Fehlen von Treppenhäusern deutlich zeigen lässt.
”¨”¨Immer mehr setzt sich deshalb die Idee durch, den Klosterplan aus dem politisch-theologischen Kontext seiner Entstehungszeit als eine in Schrift und Bild festgehaltene Diskussion gelehrter Männer über die rechte monastische Lebensform zu erklären (Büker 2009, 148”“151; Zettler 2005). Dabei orientierten sich die Reichenauer Mönche nicht nur an realen architektonischen Vorbildern, sondern ließen auch das gesammelte Wissen ihrer Bibliothek einfließen ”“ angefangen von der Regel des hl. Benedikt über die Beschlüsse der Reformsynoden in Aachen bis hin zum Capitulare de villis (Schedl 2012, 100”“101). So erklären sich z. B. die für das St. Galler Klima ungeeigneten Pflanzennamen, die schlicht aus dem Capitulare abgeschrieben wurden (Schmuki 2010, 18).
”¨”¨In gleicher Weise lässt sich auch die Ölbereitung in der Hostienbäckerei neu interpretieren. Anzumerken ist zunächst allerdings, dass auch nördlich der Alpen im frühen Mittelalter Ölpflanzen angebaut wurden, allen voran Lein, Hanf und Schlafmohn (RGA² XXI [2002] 599- s. v. Ölpflanzen [H. Beck]). Es ist jedoch nicht geklärt, ab wann genau man begonnen hat, daraus Öl zu gewinnen. Leinöl wird erstmals im 12. Jahrhundert schriftlich erwähnt (RGA² XXI [2002] 586”“588 s. v. Öl [H. Beck]).
”¨”¨Dem (Oliven-) Öl kommt aber im christlichen Kult als Salb- wie auch Lampenöl große Bedeutung zu. Es würde deshalb durchaus in das heutige Verständnis vom Entstehungsprozess des Klosterplanes passen, wenn die Mönche der Reichenau die Ölpresse aus einem älteren Traktat in ihre Kompilation übernahmen ”“ unabhängig davon, ob in St. Gallen die Möglichkeit zur Umsetzung gegeben war.
”¨”¨Dieses Vorgehen stünde voll im Einklang mit der Aufforderung der Widmungsschrift, nach welcher der Empfänger an Plan seine „Findigkeit üben“ sollte. In St. Gallen jedenfalls scheint man den Plan lange nicht so wörtlich genommen zu haben wie so manche Planforscher (vgl. Hoffmann 2002, 305), denn der Gozbertbau weicht in seiner Form ganz erheblich von der Plankirche ab (Sennhauser 2001).

Literatur
ӬӬBerschin 2005 - ӬW. Berschin, Der St. Galler Klosterplan als Literaturdenkmal, in: W. Berschin, Mittellateinische Studien (Heidelberg 2005)
”¨Büker 2009 - D. Büker, Vier Jahrhunderte und vier Jahre. Der Klosterplan von St. Gallen und seine Bedeutung als Dokument frühmittelalterlicher Schriftlichkeit (Frankfurt am Main 2009)
”¨Hecht 1983 - ”¨K. Hecht, Der St. Galler Klosterplan (Sigmaringen 1983)”¨Hoffmann 2002”¨V. Hoffmann, Der St. Galler Klosterplan ”“ einmal anders gesehen, in: Ochsenbein ”“ Schmuki 2002, 299”“305
”¨Horn 1962 - ”¨W. Horn, The Plan of St. Gall ”“ Original or Copy?, in: J. Duft (Hrsg.), Studien zum St. Galler Klosterplan, Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte XLII (St. Gallen 1962) 79”“102”¨
Jacobsen 1992”¨ - W. Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur. Entwicklung und Wandel von Form und Bedeutung im fränkischen Kirchenbau zwischen 751 und 840 (Berlin, Marburg 1992)
”¨Jacobsen 2002 - ”¨W. Jacobsen, Der St. Galler Klosterplan ”“ 300 Jahre Forschung, in: Ochsenbein ”“ Schmuki 2002, 13”“56
”¨Ochsenbein/Schmuki 2002”¨ - P. Ochsenbein ”“ K. Schmuki (Hrsg.), Studien zum St. Galler Klosterplan II. Koll. St. Gallen 1997, Mitt. vaterl. Gesch. 52 (St. Gallen 2002)
”¨Schedl 2012 - ”¨B. Schedl, Der St. Galler Klosterplan ”“ ein materialisierter Diskurs, in: A. Wieczorek ”“ G. Sitar, OSB (Hrsg.), Benedikt und die Welt der frühen Klöster. Ausst. Mannheim 2012 2013, Publ. Reiss-Engelhorn-Mus. 50 (Regensburg 2012) 92”“105”¨
Schmuki 2010 ”¨- K. Schmuki, Heilkräuter und Gartenanlagen im Kloster St. Gallen. Ausst. St. Gallen (St. Gallen 2010)
”¨Sennhauser 2001 - ”¨H. R. Sennhauser, St. Gallen - Klosterplan und Gozbertbau. Zur Rekonstruktion des Gozbertbaues und zur Symbolik des Klosterplanes, Veröff. Inst. Denkmalpflege ETH Zürich 23 (Zürich 2001)”¨
Stachura 1978”¨ - N. Stachura, Der Plan von St. Gallen ”“ ein Original?, Architectura 8, 2, 1978, 184”“186”¨
Stachura 1980”¨ - N. Stachura, Der Plan von St. Gallen: Der Westabschluß der Klosterkirche und seine Varianten, Architectura 10, 1, 1980, 33”“37 (24.07.2012)
”¨Stachura 1982 - ”¨N. Stachura, Die Entdeckung von Zeichenspuren auf dem Plan von St. Gallen und das Problem seiner Urschriftlichkeit, in: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.), Bericht über die 31. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung. Vom 14. - 18. Mai 1980 in Osnabrück (Bonn 1982) 58”“63
”¨Zettler 1988 - ”¨A. Zettler, Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen ”“ Schriftquellen ”“ St. Galler Klosterplan, Arch. u. Gesch. 3 (Sigmaringen 1988)”¨
Zettler 2005 - ”¨A. Zettler, Der Himmel auf Erden … Raumkonzepte des St. Galler Klosterplans, in: E. Vavra (Hrsg.), Virtuelle Räume. Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter (Berlin 2005) 35”“46
24.07.12
Hiltibold hat geschrieben:
St. Galler Klosterplan reloaded

Vor ein paar Tagen schrieb ich folgenden Text zum St. Galler Klosterplan, der am Rande auch das Projekt "Campus Galli - Karolingische Klosterstadt Meßkirch" betraf.

-> s.o.

Es ging mir dabei vor allem um einen im Plan eingezeichneten Raum für Ölpressungen, der fürs 9. Jh. nicht ganz an den entsprechenden Ort (nördlich der Alpen) zu passen schien, sprich, dass deshalb das ganze geplante Kloster möglicherweise eher im Süden anzusiedeln wäre.
Bald machte mich jedoch einer der Verantwortlichen des Projekts "Campus Galli" darauf aufmerksam, dass die neuere Forschung nicht der Meinung sei, dass der Klosterplan für südliche Gefilde ausgelegt ist. Er führte einige Beispiele an, ging aber bedauerlicherweise nicht gleich auf den zentralen Punkt meiner Ausführungen, die Ölpresse, ein. Meine diesbezügliche Nachfrage per E-Mail, wurde mir freundlicherweise zwischenzeitlich sehr ausführlich beantwortet.
Ich habe mir außerdem, soweit möglich, weitere Ergebnisse bzw. Publikationen der neueren Forschung zum Klosterplan angesehen, oder mir davon berichten lassen.
Der eingezeichnete Raum für das Pressen des Öls (so steht es ja wortwörtlich im Plan), wird in den mir zugänglichen Schriften leider mehr oder weniger links liegen gelassen (das bestätigte mir auch "Campus Galli"). 
Teilweise wird er auch schlicht und ergreifend falsch übersetzt. Da ist dann z.B. nicht mehr vom "Ölpressen" die Rede, sondern von "heiligem Öl" - so als ob es sich um einen bloßen Lagerraum für kleine Mengen Salböl handelt. Der originale Satz, der den betreffenden Raum zur Ölherstellung beschreibt, lautet jedoch:

Bild
Lage des Raums für die Ölpresse  (Bild: Wikimedia.org)
domus ad p(rae) parandu(m) pane(m) s(an)c(ta)m 
et 
oleum exprimendum

   
"Heilig" bzw. "geweiht" (sanctam), ist nur das Brot (panem), also die Hostien. Das bezieht sich jedoch nicht auf den zweiten Teil des Satzes, also das Öl (oleum).
Dort steht hingegen "exprimendum" - und "exprimo" bedeutet "pressen".
Wenn man nun trotzdem die Meinung vertritt, im betreffenden Raum wurden eben kleine Mengen Salböl gepresst (obwohl das Öl NICHT als "sanctam" bezeichnet wird, also profaner Natur ist!), dann muss dem entgegen gehalten werden, dass man für Salböl damals hochwertiges Olivenöl verwendete. Das wurde in unseren Breiten aber ausschließlich importiert.
Campus Galli wies zwar darauf hin, dass es dazumal durchaus nördlich der Alpen auch schon andere pflanzliche Öle gab, z.B. Leinöl (Flachs war in Schwaben im Spätmittelalter ja eine beliebte Nutzpflanze). Das stimmt zwar. Doch eignet sich dieses erstens für Salböl nicht, da es schnell ranzig wird (ähnliches gilt für Mohnöl) und zweitens wurde es erst in späteren Jahrhunderten in größeren Mengen in Ölmühlen erzeugt - es kommt damit, da es nicht in großen Mengen vorhanden war, also auch als Lampenöl nicht in Frage. Warum Lampenöl?
Konrad Hecht meint in seinem Buch "Der St. Galler Klosterplan", die Ölpresse sollte Öl für die großen Radleuchter des Klosters erzeugen - und führt auch gleich einige vergleichbare Beispiele und Quellen an.  Dieses Lampenöl wurde in der Regel ebenfalls aus den bereits erwähnten Oliven gewonnen. Man sieht, im Zusammenhang mit der Ölpresse landet man immer wieder bei den Oliven, die eben nur im Süden wuchsen.  
Inwieweit dies alles durch die neuere Forschung widerlegt worden sein soll, erschließt sich mir nicht so ganz.
Natürlich kann man den Klosterplan von St. Gallen als "idealtypisch" betrachten, wie man mir seitens "Campus Galli" zu verstehen gab. Also als die Summe klösterlicher Tugenden und Traditionen. Etwas, in das man alles hineingepackt hat, was so einem Kloster nützen könnte. Egal ob es in der Praxis sinnvoll ist oder nicht. Der jeweilige Bauherr sollte sich dann das herauspicken, was er als nötig erachtete. Dann passt auch die Ölpresse ins Bild. Was nicht passt, wird sozusagen passend gemacht. Das ist natürlich auch für das Projekt "Campus Galli" recht kommod. Dinge fragwürdiger Sinnhaftigkeit, können einfach weggelassen werden. Ob man dann allerdings noch sagen kann, wir bauen unsere Klosterstadt nach dem St. Galler Klosterplan? Höchstens eingeschränkt. Es wird ja auch nicht bei der Ölpresse alleine bleiben. Man wird etliche Details adaptieren müssen. Was die Bedeutung des Projekts allerdings auch sicher nicht schmälert. 
Dass der Klosterplan keine Kopie sein könne - wie man mir ebenfalls zu verstehen gab - weil darauf Zirkelspuren (Einstiche) entdeckt wurden, die bei einem bloßen Durchpausen nicht vorhanden wären, ist eine etwas merkwürdige These. Ich habe schon Zeichnungen durchgepaust und dabei durchaus auch Lineal und Zirkel verwendet. Letzteres um Rundungen sauber hinzubekommen - was freihändig nämlich deutlich schwieriger ist. Aber das nur der Vollständigkeit halber.   
Abschließend möchte ich noch eine Lanze für Hecht brechen. So allumfassend überholt ist dessen Forschungsergebnis zu dem Thema nicht, wo man sich doch sogar in einem PDF, das auf der Homepage von Campus Galli verlinkt ist, darauf beruft ;)    
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Klosterplan von St. Gallen birgt sicher noch einige Geheimnisse und Arbeit für viele Forscher-Generationen!
04.08.12
ӬAndreas Sturm hat geschrieben:Ӭ
Hiltibold hat geschrieben: Dass der Klosterplan keine Kopie sein könne - wie man mir ebenfalls zu verstehen gab - weil darauf Zirkelspuren (Einstiche) entdeckt wurden, die bei einem bloßen Durchpausen nicht vorhanden wären, ist eine etwas merkwürdige These. Ich habe schon Zeichnungen durchgepaust und dabei durchaus auch Lineal und Zirkel verwendet. Letzteres um Rundungen sauber hinzubekommen - was freihändig nämlich deutlich schwieriger ist. Aber das nur der Vollständigkeit halber.”¨”¨
Hallo,”¨die Zeichenspuren auf dem Klosterplan von St. Gallen gehen weit über einige Zirkeleinstiche für Kreisbögen hinaus. Tatsächlich wurden durch Norbert Stachura (zusammenfassend: 1982) und Werner Jacobsen (1992) eine große Zahl von Einstichen, Blindrillen und Rasuren entdeckt.
”¨”¨Anhand dieser Zeichenspuren lässt sich heute die Entstehung der Zeichnung recht genau nachvollziehen. Die Klosterkirche wurde auf dem Pergament selbst konstruiert. Die Grundlinie bildete eine Falz entlang der südlichen Arkadenreihe der Klosterkirche. Auf dieser Falz markierte der Zeichner die Mitte der Stützenabstände mittels Einstichen, genauso wie die parallele nördliche Stützenreihe (Jacobsen 1992, Kap. I. 6 Der Ablauf der Planherstellung; s. a. Stachura 2004). Auch weitere Hauptmaße der Kirche und Klausur scheinen von der Falz aus eingemessen worden zu sein.”¨”¨
Sehr deutlich wird die Konstruktion des Planes im Westabschluss der Klosterkirche, wo der der Zeichner zunächst zwei Versionen erprobte, bzw. sogar einen Teil des Pergamentes abschnitt, einen neuen annähte, schon gezeichnete Linien auch wieder ausschabte und schließlich darüber den heute sichtbaren Westabschluss anlegte (vgl. Jacobsen 1992, Kap. IV. Die verschiedenen Planungen der Abteikirche).”¨”¨
Auch an anderen Stellen der Kirche finden sich ähnliche Rasuren und Korrekturen. Es kann heute deshalb nicht mehr bestritten werden, dass der Klosterplan von St. Gallen ein Original ist, das auf der Insel Reichenau Schritt für Schritt entwickelt wurde.”¨”¨
Dazu Werner Jacobsen (1992, 325): „Mit Nachweis der Absteckung der wichtigsten Konstruktionspunkte durch einen Stechzirkel sowie mit der umfangreichen Vorzeichnung ist die These Walter Horns vom Plan als eine Pause auf jeden Fall unhaltbar.“”¨”¨
Natürlich schließt das nicht die Verwendung eines älteren Bauplanes als Vorlage aus, wie Jacobsen weiter ausführt, doch diese mögliche Vorlage oder Skizze wurde keinesfalls 1:1 kopiert, sondern diente lediglich als Anregung für die Neukonstruktion der Plankirche.”¨”¨Diese Forschungsergebnisse der 80er Jahre (!) kamen leider zu spät, um in den bis heute populären Werken von Hecht (1983) und Horn & Born (1979) einen Widerhall gefunden zu haben. Vielleicht kann der Campus Galli aber dazu beitragen, den Blick der „jüngeren“ Forschung auf den Klosterplan einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.”¨”¨

Andreas Sturm
ӬProjektmanager Living History/Campus Galli

ӬӬLiteratur
ӬӬHecht 1983Ӭ - K. Hecht, Der St. Galler Klosterplan (Sigmaringen 1983)
”¨”¨Horn/Born 1979”¨ - W. Horn ”“ E. Born, The plan of St. Gall. A study of the architecture & economy of, & life in a paradigmatic Carolingian monastery, California studies in the history of art 19 (Berkeley, CA 1979)”¨”¨
Jacobsen 1992 - ”¨W. Jacobsen, Der Klosterplan von St. Gallen und die karolingische Architektur. Entwicklung und Wandel von Form und Bedeutung im fränkischen Kirchenbau zwischen 751 und 840 (Berlin, Marburg 1992)
”¨”¨Stachura 1982”¨ - N. Stachura, Die Entdeckung von Zeichenspuren auf dem Plan von St. Gallen und das Problem seiner Urschriftlichkeit, in: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.), Bericht über die 31. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung. Vom 14. - 18. Mai 1980 in Osnabrück (Bonn 1982) 58”“63”¨”¨
Stachura 2004”¨ - N. Stachura, Der Plan von St. Gallen. Maßeinheit, Maßstab und Maßangaben oder das Dilemma im Schlafsaal (Saint-Just-la-Pendue 2004)
Hiltibold hat geschrieben:
Stachura ist wohl vergriffen und Jacobsens rund 2cm "dickes" Büchlein kostet z.B. bei Amazon schlappe 153 Euro... Da wird aus der Klosterplanforschung ja schon fast eine Geheimwissenschaft ;)
”¨”¨Die Sache mit den Zirkelschlägen leuchtet mir allerdings schon mehr ein,”¨wenn es um die Frage geht, ob Kopie, oder nicht. ”¨”¨Für die Klosterstadt in Meßkirch, scheint es allerdings noch keinen endgültigen Bauplan zu geben, oder täusche ich mich da? Interessant wäre es nämlich zu sehen, wie der St. Galler Klosterplan, dem ja viele Merkmale abgehen die einen modernen Bauplan auszeichnen, wie z.B. die Wandstärken, für heutige Bedürfnisse adaptiert wurde.”¨”¨”¨
05.08.12
”¨Andreas Sturm hat geschrieben:Ja, die Verfügbarkeit der relevanten Literatur ist nach Normalnutzer-Maßstäben teilweise etwas eingecschränk. Aber Bestseller würden die Bücher auch nicht, dafür ist das Thema dann doch zu speziell.”¨”¨
Ohne eine gut sortierte Universitätsbibliothek wie wir hier in Aachen käme der Campus Galli wohl kaum über das Stadium einer vagen Idee hinaus.”¨”¨
Aber wir haben hier in der alten Lieblingspfalz Karls des Großen mit der Hochschulbibliothek der RWTH Aachen wie auch ca. 230 Institutsbibliotheken wirklich gute Standortbedingungen. ;o)
_____

* Versorgungsbau:

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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

Im Südkurier am 10.10.12:

Erste Freiwillige melden sich für Klosterstadt-Baustelle an

Die Helfer kommen aus Aachen und der englischen Universitätsstadt Winchester

Die Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen hat sich als erste Institution überhaupt für eine Reise auf den Campus Galli im August nächsten Jahres nach Meßkirch entschieden. Das teilt der Verein Karolinigsche Klosterstadt in einer Presseerklärung mit. Katrin Rieger, Dozentin an der Akademie in Aachen, habe in den Medien von dem Langzeitprojekt erfahren und sei sofort Feuer und Flamme gewesen. Die Dozentin rechne mit Anmeldungen aus allen Altersschichten. Da Aachen eine große Universität besitzt, würden bestimmt junge Architekturstudentin ebenso dabei sein wie auch aktive und pensionierte Experten und Wissenschaftler. Sie wolle dieses 14-tägige Seminar ab 2013 jedes Jahr anbieten, damit der Fortgang der Baustelle genau verfolgt werden könne.
Erstes Ziel der Besucher aus Aachen wird die Insel Reichenau sein; dann geht es weiter in die Schweiz nach St. Gallen, um sich den Originalplan anzuschauen. Dann geht es für mindestens zehn Tage auf die Meßkircher Klosterbaustelle. Katrin Rieger sagt, dass die Gruppe dann in der Kleidung des 9. Jahrhunderts mithelfen wolle, dieses Projekt in die Tat umzusetzen.
Besonders freut sich der Initiator des Projektes „Campus Galli““ über die erste Anmeldung, die ausgerechnet aus seiner Heimatstadt kommt.
Nur einen Tag später konnte er sich wieder freuen. 20 junge Archäologen aus der englischen Universitätsstadt Winchester haben sich ebenfalls zur Mitarbeit im Sommer 2013 für zwei Wochen angemeldet. Bert M. Geurten: „Ich hoffe, dass viele junge Wissenschaftler aus ganz Europa immer öfters den Weg nach Meßkirch finden werden.“
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Re: Meßkirch will Mittelalter nachbauen

Beitrag von Norbert von Thule »

In der Schwäbische am 19.10.12:
Corinna Wolber hat geschrieben:
Zwei Klosterstadt-Hütten sind schon fertig
In St. Gallen werden Campus Galli zwei Unterkünfte aus Holz geschenkt ”“ Sie kommen im Frühjahr nach Meßkirch
 
Bert M. Geurten hatte gestern einen Glückstag: In St. Gallen hat er ein ziemlich großzügiges Geschenk für die Klosterstadt entgegengenommen. Dort steht zwar noch kein Balken auf dem anderen, doch zwei Hütten gibt es trotzdem schon: Die hatte der St. Galler Verein Gallus Eremitage gebaut, um dem Heiligen Gallus und den bescheidenen Anfängen des Christentums in der Region vor 1400Jahren zu gedenken. Noch stehen sie direkt neben der Kathedrale und machen den gewünschten Kontrast äußerst anschaulich.

Bild
Zwei Klosterstadt-Hütten sind schon fertig (Foto: cow)

„Wir haben einen Platz für die Hütten gesucht“, sagte Urs Andermatt von der Arbeitsgemeinschaft, die das Gallus-Jubiläum organisiert hat. „Viele haben sich beworben, doch Meßkirch bietet mit der Klosterstadt den perfekten Platz dafür.“ Grund genug auch für die Stadt, Geurten und ein paar der künftigen Mitarbeiter der mittelalterlichen Baustelle mit einer kleinen Delegation zur Schenkung zu begleiten. „Wir freuen uns sehr über die Hütten und sind stolz darauf, sie bald in Meßkirch zu haben“, sagte Bürgermeister Arne Zwick. Der St. Galler Projektleiter Peter Müller ist ebenfalls froh, dass die „Hütten nicht irgendwo landen. Sie sind eine kleine Attraktion für die Klosterstadt und zugleich ein Bindeglied zwischen St. Gallen und Meßkirch.“
Geurten selbst ist dankbar dafür, dass die Kooperation mit den Schweizern so reibungslos funktioniert. „Es hätte ja auch sein können, dass der Leiter der Stiftsbibliothek unsere Pläne nicht unterstützen würde.“ Immerhin sei er der Wächter über den Plan, nach dessen Vorbild die Klosterstadt gebaut werden soll. „Doch zum Glück ist das Gegenteil der Fall, er ist begeistert“, sagte Geurten. Er wolle die beiden Holzhütten „in Ehren halten und sichtbar machen, dass sie ein Geschenk waren“.
Der St. Galler Stadtrat Fredy Brunner betonte, dass es heute schwer ist, ein Projekt aus der Vergangenheit zu realisieren ”“ damit dürfte er Arne Zwick aus dem Herzen gesprochen haben. „Manchmal habe ich immer noch Probleme zu erklären, was es mit der Klosterstadt eigentlich auf sich hat“, sagte er. „Aber es wird besser.“ Eine Art Grundstein für das Projekt wurde gesternn gelegt. Am Montag werden die Hütten in St. Gallen abgebaut und den Winter über eingelagert. Im Frühjahr kommt dann eine Delegation zum Gegenbesuch nach Meßkirch ”“ mit Werkzeug im Gepäck.
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